0811 - Die Aibon-Amazone
in eine völlig fremde Welt, in der sie sich nicht zurechtfanden. Sie hatten jeglichen Schutz verloren, und sie haben auch den falschen Menschen vertraut, wobei ich ihnen nicht einmal einen Vorwurf machenkann, denn sie kannten es nicht anders. Sie waren es nicht gewohnt, reingelegt zu werden. Aber in dieser Welt wurden sie es, und davor musste ich sie schützen.«
»Das haben Sie schon einmal gesagt, Kimberly, nur eben mit anderen Worten.«
»Ich komme schon zum Punkt, keine Sorge. Einige dieser Personen gerieten in die falschen Hände. Sie erlebten nicht nur die Menschen, sondern auch die Bösartigkeit dieser Welt. Verstehen Sie das? Sie gerieten in gewisse Kreise…«
»Gangster?«
»Ja, schlimme Verbrecher. Das konnte ich auf keinen Fall akzeptieren. Ich habe versucht, sie dort wegzuholen, aber es war für mich zu schwer. Ich will zugeben, dass ich mich in diesem Milieu nicht auskannte, meine Auftritte waren nicht immer glücklich. Man wollte mich auch zwingen, in gewissen Bars zu arbeiten. Nun ja, das ist misslungen, und so baute ich mir hier diese Existenz auf. Einige Mädchen und Frauen habe ich zurückschicken können, andere nicht. Aber die müssen noch gefunden werden.«
»Kennen Sie die Zahl!« fragte Jane.
»Nicht genau. Um die zehn Personen vielleicht.«
»Die allesamt in gefährliche Kreise hineingeraten sind, nehme ich an.«
Kimberly Hart hielt sich mit einer Antwort zurück. Sie schaute Jane für eine Weile starr an. »Nein, nicht alle«, sagte sie dann. »Nicht alle in die Kreise, an die Sie denken. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich wieder etwas aushole. Aibon ist ein Land der Magie. Ich will nicht sagen, ein Land der Dämonen, aber gewisse Strömungen haben die Bewohner schon geprägt, das müssen auch Sie zugeben, Jane. Nunja, ich will es trotzdem abkürzen. Die Entflohenen spürten eine gewisse Affinität zu ebenfalls außergewöhnlichen Geschöpfen. Dank ihrer sensiblen Sinne konnten sie diese auch aufspüren, und ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass einige von ihnen in die Fänge schwarzmagischer Wesen geraten sind. Es könnte sein, dass wir es mit Vampiren oder anderen Wesen zu tun bekommen, Jane. Darauf sollten Sie sich einstellen.«
Die Detektivin hatte sehr gespannt zugehört. Je länger die Frau gesprochen hatte, umso stärker war sie in den Bann dieser Worte gezogen worden. Bei den letzten aber war ihr schon mulmig geworden, und sie konnte einen kalten Schauer nicht vermeiden, der ihren Körper umschloss wie ein Netz.
Für einen Moment schloss sie die Augen. Sie hörte, dass Kimberly auf sie zukam. Neben Jane blieb sie sehen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Jetzt wissen Sie alles.«
»Ja, das denke ich auch.«
»Dann können wir beginnen.« Jane öffnete die Augen. »Okay, ich bin in diese Lage hineingerutscht und werde mich kaum aus ihr befreien können.«
»Schön, dass Sie es so sehen.«
»Wo fangen wir an?«
»Mit einem Dinner bei Kerzenlicht…« Jane Collins verstand die Welt nicht mehr.
***
Auch Suko und ich hatten Mühe, unsere Situation zu begreifen. Dabei war es so einfach. Wir hatten die Grenze überschritten und waren überwältigt worden. Wie zwei Riesenfische hockten wir in einem Netz zusammen und schwebten über einem fremden Boden, der zu einer ebenfalls fremden Welt gehörte.
Natürlich dachte ich noch über Janes Erscheinen nach. Suko erging es sicherlich ähnlich, und ich kam zu dem Ergebnis, dass dies so etwas wie ein Abschied gewesen war. Sie hatte uns mit einem Blick angeschaut, der Bände sprach, und dann war sie verschwunden. Befand sie sich in der Gewalt dieser Aibon-Amazone, oder wurde sie dazu angehalten, sich an ihre Seite zu stellen?
Egal, wie es auch abgelaufen war, wir mussten auf jeden Fall versuchen, zuerst aus diesem verdammten Netz freizukommen. Mit Bedauern dachte ich an meinen Dolch, den ich nicht mehr besaß. Mit ihm hätte ich die Maschen durchtrennen können, aber es gab ihn nicht mehr, und so mussten wir uns auf andere Hilfsmittel verlassen.
Suko bewegte sich zwar nur langsam, das Netz geriet trotzdem in schwankende Bewegungen. Er hatte nicht aus Spaß seine Stellung gewechselt, er wollte in die Tasche greifen, wo sein kleines Taschenmesser steckte. Als er es mir zeigte, huschte ein Lächeln über sein Gesicht. »Es wird uns noch gute Dienste erweisen, denke ich.«
Ich gab keinen Kommentar, schaute nur nach unten und sah dort die lauernden Beißer. »Darauf warten sie.«
»Damit müssen wir fertig
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