0811 - Die Aibon-Amazone
dahin. »Dann kommen Sie«, flüsterte er und stellte den Kasten ab.
Weit brauchten sie nicht zu gehen. Zwei Türen weiter schloss der junge Mann eine Tür auf, hinter der ein Büro lag. Im kalten Licht sah Jane Collins die abgedeckten Geräte wie Monitor und Drucker. Auf dem Schreibtisch stand ein Telefon. Sie ging dorthin.
Der Junge war an der wieder geschlossenen Tür stehen geblieben.
»Dauert es denn lange?«
»Ich hoffe nicht.«
»Dann bringe ich eben den Kasten weg und komme anschließend zurück.«
»Das ist gut.« Jane hatte bereits gewählt und hoffte, dass sich der Teilnehmer meldete. Ihr fiel ein großer Stein vom Herzen, als sie die Stimme des Superintendenten Sir James Powell hörte.
»Ich bin es, Jane Collins.«
»Ho, was ist…?«
»Keine Frage jetzt, Sir, ich habe nur wenig Zeit. Hören Sie mir nur zu.«
Das tat er dann auch. Jane wusste, dass ihr Gespräch aufgezeichnet wurde. In Stichworten berichtete sie, was geschehen war. Sie blieb immer beim Thema und gab Sir James genau das mit, was er wissen musste, um informiert zu sein.
»So sieht die Lage aus, Sir.«
Der Mann schwieg.
»Sind Sie noch…?«
»Natürlich, Miss Collins. Was sollen wir tun?«
»Nichts.«
»Bitte?«
»Nichts, Sir. Lassen Sie alles laufen. Keine Fahndung nach Suko und John. Sobald ich wieder die Chance ergreifen kann, rufe ich zurück. Ich muss mich einfach fügen. Diese Aibon-Amazone ist gefährlich, und sie ist auch mächtig.«
»Ja, das denke ich jetzt auch. Sehen Sie denn eine Chance, die beiden aus Aibon zurückzuholen?«
»Im Moment nicht.«
»Gut, dann drücke ich Ihnen die Daumen. Ach ja, wo sind Sie jetzt eigentlich?«
Jane gab die Anschrift durch.
»Und was haben Sie vor?«
»Ich weiß es noch nicht. Das muss die Hart entscheiden.«
»Viel Glück.«
»Danke, Sir.« Als Jane den Hörer auflegte, war der Kunststoff durch ihren Schweiß feucht geworden.
Sie atmete auf, drehte sich der Tür zu und erschrak, denn der junge Mann stand dort wieder. »Fertig?«
»Aber sicher.«
»Dann bitte.«
Jane ging auf ihn zu. Bevor er sich versah, hatte sie ihm einen Kuss auf die Wange gehaucht, und dieses Dankeschön einer attraktiven Frau brachte den Jungen durcheinander.
Jane ging nicht zur Toilette, sondern kehrte wieder an ihren Tisch zurück. Dort saß Kimberly Hart und lächelte ihren beinahe leeren Teller an. »Alles klar!« fragte sie.
»Ja.« Jane nahm Platz und stellte die Handtasche auf den Tisch.
Diesmal war es Kimberly, die ihren Teller zur Seite schob. »Nun, haben Sie erfolgreich telefonieren können?«
Jane saß starr. Der Schreck durchfuhr sie. Auf der anderen Seite hatte es keinen Sinn, die Frau anzulügen. Es war auch leicht gewesen, sich in Janes Lage zu versetzen.
»Überrascht?«
Die Detektivin schüttelte den Kopf. »Nein, nicht, wirklich nicht. Es war auch zu leicht auszurechnen. Mich wundert nur, dass Sie mich einfach so haben gehen lassen.«
»Warum nicht?«
»Sind Sie sich Ihrer Sache so sicher?«
»Ja, das bin ich. Was hätte es an den Tatsachen geändert, wenn ich Sie von einem Telefonat abgehalten hätte?«
»Nichts«, erwiderte Jane achselzuckend und trank danach einen Schluck Wasser.
»Eben. Die Tatsachen bleiben die gleichen. Darf ich raten, mit wem sie telefoniert haben?«
»Bitte.«
»Scotland Yard.«
»Stimmt.«
»Sehr schön. Sie haben den entsprechenden Herren hoffentlich davon überzeugen können, dass es für ihn besser ist, sich zurückzuhalten.«
»Er wird nichts tun.«
»Keine heimliche Beschattung.«
»Darüber haben wir nicht gesprochen.«
»Das ist gut.« Kimberly tupfte ihre Lippen mit der Serviette ab und schaute auf die Uhr. »Ich denke, dass es jetzt Zeit für uns wird, aufzubrechen.«
»Wohin gehen wir?«
»Nicht sehr weit.«
»Ins Variete?«
»Genau.«
»Und dort?«
»Lassen Sie sich überraschen.« Kimberly winkte dem Ober, der heranwieselte.
Jane Collins wollte sich von der Aibon-Amazone nichts ausgeben lassen. »Ich zahle meine Rechnung selbst.«
»Wie Sie wünschen.«
Drei Minuten später war alles erledigt. Die beiden Frauen erhoben sich. Jane stellte fest, dass sie nicht die einzigen Gäste waren, die einen bestimmten Weg einschlugen. Neben der normalen Ausgangstür existierte noch eine zweite. Durch die gelangten sie in einen Flur mit einer breiten, geschwungenen Treppe. Wandleuchten strahlten ihr Licht gegen den roten Teppich. Er bedeckte wie ein gewaltiger Blutstreifen die Stufen.
Wie zwei Freundinnen schritten sie
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