0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
zwei Erwachsene in Arbeitskleidung, die aus der Hütte getreten waren und ihnen neugierig entgegen sahen.
Nachdem Phuong die beiden ebenfalls begrüßt hatte, stellte sie ihnen die beiden Franzosen vor. Phuongs Schwägerin eilte gleich fort, um die unerwarteten Gäste zu bewirten, während der Bruder sie stolz einlud, sich seinen kleinen Betrieb anzusehen. In der Hütte befand sich eine kleine Manufaktur, in der eine Art Puffreis hergestellt wurde. Männer und Frauen mit ledriger Haut rührten in riesigen Pfannen Zucker und Reis zusammen, bis ein klebriges Gemisch entstand. Andere schnitten die erkaltete Masse in rechteckige Stücke und verpackten sie in Plastik.
Lachend reichte Phuongs Bruder seinen ausländischen Gästen eine Kostprobe und forderte sie zum Essen auf. Misstrauisch probierte Zamorra und lächelte. Die klebrige Süßigkeit war erstaunlich wohlschmeckend.
Phuong grinste. »Tschan macht den besten Puffreis im ganzen Delta. Ein bisschen verkauft er an Touristen, der Rest geht nach Saigon.«
Die Hitze der offenen Feuer war schier unerträglich. Zamorra war froh, als sie wieder ins Freie treten konnten und Tschan sie ins Haus bat. Dank der auf Hochtouren arbeitenden Klimaanlage war es innen angenehm kühl. Phuongs Bruder bot seinen Gästen Sitzkissen an, während seine Frau Tee und Gebäck servierte.
Alles wirkte geradezu idyllisch - bis Phuong ihr Anliegen vorbrachte.
Tschan schüttelte energisch den Kopf, in seinen Augen blitzte Ärger auf. »Das sind Ammenmärchen, kleine Schwester. Du bist schon zu lange in der Stadt, sonst wüsstest du, dass es hier keine unheimlichen Monster gibt. Wir sollten unseren ausländischen Gästen nicht solche Geschichten auftischen.«
»Das sind keine Geschichten. Ich habe diese Wesen gesehen. Und es gibt Tote, sehr viele Tote!«
»Unfälle geschehen immer. Das ist nichts Besonderes.«
»Dort draußen ist etwas, und es bringt uns alle in Gefahr. Auch dich, deine Frau und deine Kinder, Tschan. Wir müssen es aufhalten.«
Tschan sah sich unwohl in Richtung der Fremden um. »Verstehen sie, was wir sagen?«
Phuong schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«
Zamorra hütete sich, den Irrtum zu korrigieren. Seit dem Erwachen Kuang-shis vor einigen Jahren sprach er seltsamerweise fließend Mandarin-Chinesisch, und das Vietnamesische basierte zu einem großen Teil auf der Sprache des mächtigen Nachbarn. Dazu kam Zamorras geheimnisvolle Gabe, sich innerhalb kürzester Zeit in jede fremde Sprache quasi einzufühlen. So hatte er dem hitzigen Wortgefecht mühelos folgen können. Der Parapsychologe wechselte mit Nicole einen verstohlenen Seitenblick. Die schöne Französin grinste gequält. Im Gegensatz zu ihrem Gefährten verstand sie zwar kein Wort, aber auch so hatte sie keinen Zweifel, worum es bei dem Streit ging.
»Du bringst Schande über die Familie, Phuong. Geh wieder zurück in die Großstadt, wo du hingehörst. Erzähl dort deine Lügen über das Leben im Mekong-Delta. Hier hast du nichts mehr verloren!«
Phuong stand auf und ihre Augen funkelten. »Das werde ich nicht tun. Ich will Großmutter sehen, sofort!«
Jetzt erhob sich auch-Tschan. Die beiden Geschwister sahen aus wie zu allem bereite Kampfhähne, die gleich ohne Rücksicht auf Verluste aufeinander losgehen würden.
»Sie ist eine alte Frau!«, polterte Tschan.
»Aber jung im Kopf - im Gegensatz zu dir!«, erwiderte Phuong giftig. Zamorra war irritiert, zu welcher Aggressivität die sonst so sanftmütige Vietnamesin fähig war, aber offenbar hatte sie damit Erfolg. Tschan setzte zu einer heftigen Erwiderung an, doch dann Heß er die Schultern sinken. Offenbar sah er ein, dass jeder weitere Streit Zeit- und Kraftverschwendung war.
»Wie du willst, aber wehe, du regst sie auf. Du weißt, sie hat ein schwaches Herz.«
»Besser, als einen schwachen Geist«, zischte Phuong, bevor sie sich mit ihrem strahlendsten Lächeln Zamorra und Nicole zuwandte.
»Mein Bruder führt uns zu meiner Großmutter.«
»Gab’s Probleme?«, fragte Zamorra.
»Oh, nur das Übliche«, erwiderte Phuong mit ihrem unschuldigsten Lächeln. »Bruder und Schwester, Sie verstehen. Das ist manchmal explosiver als alles, was die Amerikaner je auf uns heruntergeworfen haben.«
Zamorra fand den Vergleich zwar etwas gewagt, sagte aber nichts. Vermutlich war Sarkasmus auch eine Strategie, um mit den Albträumen dieses Landes fertig zu werden.
***
Das Alter der Frau zu bestimmen, war so gut wie unmöglich. Zamorra schätzte sie auf
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