Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta

0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta

Titel: 0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
Vom Netzwerk:
und zwischen die stolze französische Kolonialarchitektur und gaben dem Bezirk sein eigenes, ganz spezielles Flair.
    Der Tag hatte um diese Zeit in Cho Lon längst begonnen. Unzählige Menschen strömten zu Fuß, auf Mopeds oder Fahrrädern ihren jeweiligen Verrichtungen entgegen. Nach dem Sieg des Nordens waren viele Chinesen Vietnams als Boat People geflüchtet, um ihr Hab und Gut vor den Kommunisten zu retten. Doch seit der Liberalisierung der vietnamesischen Wirtschaft hatte die chinesische Minderheit dank ihrer weit verzweigten geschäftlichen und verwandschaftlichen Beziehungen fast wieder die Vormachtstellung erreicht, durch die sie vor 1975 den größten Teil des Handels und der Industrie des Südens beherrscht hatte.
    Chin-Li fühlte sich sofort heimisch, als sie in das Gewirr der Lädchen und Garküchen mit ihren ganz typischen Gerüchen und Geräuschen eintauchte. Die Chinesen mochten sich über ganz Asien verteilt haben, aber einen Teil ihrer Heimat nahmen sie immer mit.
    Obwohl Chin-Li noch nie in Saigon gewesen war, brauchte sie nicht lange, um ihr Ziel ausfindig zu machen. Yau Hwei-Kong war ein alteingesessener Schneider, der mit seinem exklusiven Laden ein bescheidenes Vermögen gemacht hatte.
    Zumindest war das die offizielle Version.
    Yaus Geschäft lag an der belebten Straße NguyenTrai, passenderweise genau neben einem Tempel, der-Tin Hau gewidmet war, der Schutzgöttin der Neun Drachen.
    Chin-Li stellte achtlos ihr Moped auf der Straße ab und betrat den klimatisierten Laden. Sofort huschte eine kleine, gebeugt gehende Frau auf sie zu, um nach ihren Wünschen zu fragen, doch Chin-Li ignorierte sie. Zielstrebig ging sie auf eine halb geöffnete Tür im hinteren Teil des Geschäfts zu. Dahinter thronte ein gut gekleideter Mittfünfziger hinter einem Scheibtisch und las scheinbar desinteressiert Zeitung. Ein Blick auf die drahtige Figur und die sonnengegerbte Haut verrieten Chin-Li, dass Yau die meiste Zeit seines Lebens nicht mit dem Schneidern von Maßanzügen verbracht hatte.
    Chin-Li achtete nicht auf das Zetern der kleinen Frau und betrat das Büro.
    »Ja?« Misstrauisch sah-Yau Hwei-Kong auf. Fast unmerklich wanderte seine rechte Hand in Richtung Schreibtischschublade. Offenbar hatte der Schneider dort seine Waffe versteckt.
    Er würde sie nicht brauchen.
    »Yau Hwei-Kong«, sagte Chin-Li. »Die Bruderschaft der Neun Drachen fordert deine Unterstützung.«
    ***
    Mekong-Delta
    Der Himmel war, wie so oft in diesem Teil Südostasiens, mit dunklen, tief hängenden Wolken bedeckt, die einem Europäer auf Dauer aufs Gemüt schlagen mussten. Diesmal führte sie ihr Weg sehr viel tiefer ins Innere des Deltas. Längst hatten sie den mächtigen Strom hinter sich gelassen und sich tief ins unendliche Gewirr der Nebenflüsse begeben. Bereits nach einer Viertelstunde war sich Zamorra sicher, dass er ohne Hilfe nie wieder aus diesem Labyrinth herausgefunden hätte, doch Phuong lenkte das kleine Boot mit traumwandlerischer Sicherheit durch die zum Teil gerade mal zwei, drei Meter breiten Nebenarme.
    Immer wieder kamen sie an kleinen, baufällig wirkenden Hütten vorbei, vor denen junge Mütter mit ihren Kindern badeten oder zäh aussehende Männer nach Schlamm tauchten, der sich als Baumaterial verwerten ließ. Phuong winkte allen zu und erntete jeweils einen freundlichen Zuruf oder ein fröhliches Lachen. Die junge Vietnamesin war eine moderne, selbstbewusste Frau, aber es war unverkennbar, dass hier ihre Wurzeln lagen. Um so schlimmer muss es für sie sein, dass das Böse von ihrer Heimat Besitz ergriffen hat, dachte Zamorra.
    An einer Stelle, die aussah, wie alle anderen, drosselte Phuong plötzlich den Motor und lenkte das Boot zu einem von den Uferpflanzen fast verborgenen Steg. Erstaunt sah sich Zamorra um. Es sah nicht so aus, als ob hier irgendjemand leben würde. Phuong bemerkte Zamorras Verwirrung und lachte. »Keine Sorge, es gibt hier menschliches Leben. Nur ein paar Schritte noch.«
    Sie folgten der Vietnamesin über einen Trampelpfad, bis sie nach wenigen Metern vor sich ein schlichtes zweistöckiges Wohnhaus erblickten. Davor stand eine aus dunklem Holz gefertigte Hütte, aus deren Schornstein starker Rauch quoll.
    Kaum waren sie in Sichtweite des Hauses, als zwei halbnackte Kinder mit lautem Geschrei auf sie zustürmten.
    »Meine Nichte und mein Neffe«, erklärte Phuong, nachdem sie die Kleinen freudig begrüßt hatte, »und das sind mein Bruder Tschan und seine Frau Yen.« Sie deutete auf

Weitere Kostenlose Bücher