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0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta

0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta

Titel: 0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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80, sie mochte aber auch gut 20 Jahre älter sein. Thao saß in einem klapprigen Baststuhl und betrachtete neugierig die Besucher, die sich in ihre winzige Hütte verirrt hatten.
    Das windschiefe Bauwerk befand sich wenige Meter hinter Tschans Haus. Ihr Bruder hatte seine Großmutter immer wieder bekniet, in das große Wohnhaus zu ziehen, aber die alte Dame hatte sich schlicht geweigert. »Hier wurde sie geboren, und hier will sie sterben, das ist alles, was sie verlangt«, hatte Phuong gesagt.
    Die junge Vietnamesin hockte neben ihrer Großmutter und erklärte ihr, warum sie gekommen waren. Mit einem matten Winken ihrer faltigen Hand bedeutete Thao den beiden Ausländern, näher zu kommen.
    Zamorra und Nicole ließen sich vor dem Baststuhl auf dem Lehmboden nieder, während Tschan in respektvoller Entfernung an der Eingangstür verharrte. Obwohl der dürre Körper der alten Frau kaum noch Leben in sich zu haben schien, war ihre Aura mächtig und Ehrfurcht gebietend.
    Geduldig hörte Thao zu, wie Phuong ihr von den schrecklichen Ereignissen im Delta erzählte, doch ihr wacher Blick ruhte nur auf Zamorra. Dann hob sie ihre Hand und unterbrach ihre Enkelin mit einer schwachen Geste. »Danke, mein Kind, ich glaube, das genügt.« Die Alte drückte sanft Phuongs Hand und wandte sich dann Zamorra zu. »Du verstehst unsere Sprache?«
    Der Parapsychologe fühlte sich ertappt. Aber er wusste, dass es wenig Sinn hatte, zu leugnen. Also nickte er. »Ein bisschen«, sagte er. Die fremden Worte kamen erstaunlich leicht über seine Lippen. Phuong starrte den Parapsychologen irritiert an. »Nimm es ihm nicht übel«, sagte die Alte, und ihr fast zahnloser Mund verzog sich zu einem vergnügten Grinsen. »In seinem Beruf ist es wichtig, nicht immer alle Karten gleich offen auf den Tisch zu legen.«
    Zamorra starrte Thao verblüfft an. Sein Respekt für die Alte wuchs mit jeder Sekunde.
    »Du bist so etwas wie ein Zauberer, Zamorra.«
    Der Parapsychologe nickte. »Das könnte man so sagen. Kennt Ihr die Gefahr, mit der wir es hier zu tun haben, weise Thao?«
    »Das Leben im Mekong-Delta war schon immer voller Gefahren. Nur das Gesicht des Todes ändert sich von Zeit zu Zeit. Wir sind nur einfache Bauern, aber das Wasser hier ist getränkt mit unserem Blut.«
    »Aber wir haben jetzt eine Zeit des Friedens. Es sollte kein weiteres Blut mehr fließen.«
    Die Alte lachte leise. »Daran wirst auch du nichts ändern können, Zauberer.«
    »Was sind das für Wesen, mit denen wir es hier zu tun haben, Thao? Warum kehren sie zurück?«
    Thao dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete. »Ich weiß nur das, was die alten Legenden erzählen, die schon meine Großmutter aus dem Mund ihrer Großmutter gehört hat. Was ihr gesehen habt, sind nur die verlorenen Seelen, die das Unglück hatten, dem, was im Verborgenen auf sie lauerte, zum Opfer zu fallen. Sie sind nicht dein eigentliches Problem, weißer Mann.«
    Zamorra nickte. Also stimmte ihre Vermutung, dass die Untoten nur das Fußvolk einer viel gefährlicheren Macht waren.
    »Was ist es dann? Wer ist verantwortlich für diesen Schrecken?«
    Wieder kicherte Thao. Ihr Lachen war nachsichtig und doch so voller Resignation, dass es Zamorra kalt den Rücken runterlief.
    »Es gibt keinen Wer. Es ist keine Person oder böser Geist, was diese Menschen getötet hat.«
    Die alte Frau beugte sich vor und ihre Stimme sank zu einem fast unhörbaren Flüstern herab. »Es ist das Land selbst, das unser Blut will, Zamorra. Dieses Land ist fruchtbar, es ernährt unser Volk seit Jahrhunderten. Doch dafür fordert es seinen Tribut. Dieses Land will unser Blut - und es wird es bekommen. Jetzt wie zu allen Zeiten!«
    ***
    Auf der Rückfahrt konnte sich Zamorra kaum auf die Schönheit der Landschaft konzentrieren. Immer wieder gingen ihm die Worte der Alten durch den Kopf. Es ist das Land selbst, das unser Blut will, Zamorra. Dieses Land will unser Blut - und es wird es bekommen. Was hatte das zu bedeuten? Denn Zamorra weigerte sich zu glauben, dass Thaos Worte wirklich wörtlich zu nehmen waren. Ein ganzer Landstrich konnte nicht vom Bösen besessen sein, so etwas gab es einfach nicht, unmöglich.
    »Was grübelst du, mein Schöner?« Nicole schmiegte sich sanft an ihren Gefährten. Zamorra spürte durch den dünnen Stoff die Wärme ihres Körpers. Sie tat ihm gut.
    »Was ist nur mit diesem Land los?«, fragte er kopfschüttelnd. Dieses Land ist fruchtbar, es ernährt unser Volk seit Jahrhunderten. Doch dafür

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