0813 - Der Schrecken vom Mekong-Delta
unterentwickelten Verkehrswege dieser wirtschaftlich so wichtigen Region zwischen Saigon, Kambodscha und der Küste zu verbessern. Es war nur ein Baustein bei dem Versuch, Vietnam fit für die Zukunft zu machen, aber Do war außerordentlich stolz darauf.
»Sie ist ein Meisterwerk«, sagte eine Stimme neben ihm. Cuong, sein Assistent, hatte sich zu ihm gesellt, um ebenfalls eine kleine Zigarettenpause zu machen. Grinsend gab Do ihm Feuer.
»Warten Sie nur ab, bis sie fertig ist«, sagte er. »Dann werden wir uns vor Aufträgen kaum noch retten können.« Seit die vietnamesische Regierung in beschränktem Maße Privatwirtschaft zuließ, war es durchaus möglich, das Wohl der Allgemeinheit und das private Glück miteinander zu verbinden.
Doch das Glück war nicht länger auf Dos Seite!
Der Architekt warf seine aufgerauchte Zigarette in den Fluss und wollte sich gerade abwenden, als er das Geräusch hörte. Es klang wie das Grollen eines weit entfernten Gewitters - aber es kam eindeutig von der Brücke!
Aufgeregte Schreie gellten in Dos Ohren. Panisch versuchten die Arbeiter, die Gefahrenzone zu verlassen, als der Hauptpfeiler der Drachenbrücke plötzlich nachgab. Das ganze Bauwerk erzitterte, und dann brachen weitere Pfeiler zusammen und rissen einen großen Teil der gesamten Konstruktion mit sich. Tonnen Beton und Stahl stürzten in den Mekong - und mit ihnen die zerschmetterten Körper der Arbeiter, die sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit hatten bringen können.
Entsetzt sah Do Tran Loan zu, wie sein Lebenswerk vor seinen Augen in tausend Trümmer zerfiel. Für einen Moment dachte er daran, dass er dem Zulieferer, der den Beton für die Pfeiler produzierte, nie ganz getraut hatte, dann registrierte er verwundert, wie jemand an seiner Jacke zerrte und in sein Ohr brüllte.
Es war Cuong. »Helfen!«, schrie Dos Assistent aufgeregt. »Wir müssen helfen!«
Doch Do Tran Loan bewegte sich nicht von der Stelle. Stumm starrte der Architekt auf die zerstörte Drachenbrücke. Helfen? , dachte er, Wo sollen wir denn helfen? Es ist doch alles zu spät.
***
Lange hatte die Kreatur auf dem Boden des Flusses geschlafen. Gesättigt von der reichen Ernte, die ihr die Bewohner der Oberfläche beschert hatten, als sie sie in den langen Jahren des Krieges mit einem nicht enden wollenden Strom warmen Blutes versorgt hatten.
Das Wesen wusste nicht, was die Menschen dazu trieb, sich derart hasserfüllt gegenseitig abzuschlachten, und es war ihm auch egal. Hauptsache, die Nahrungszufuhr versiegte nie.
Die Kreatur konnte sich nicht beklagen. Nur selten musste sie selbst eingreifen, um ein verwundetes Exemplar daran zu hindern, vom Schlachtfeld zu fliehen. In manchen Jahren waren sogar so viele gestorben, dass es eine reine Verschwendung war. Völlig sinnlos war ihr Blut im Boden versickert oder hatte sich mit dem Wasser des Mekong vermischt.
Fast 30 Jahre lang hatte die Kreatur von dem zehren können, was die Menschen ihr geschenkt hatten, selbstvergessen, in einer Art Dämmerzustand. Doch jetzt hatte sie etwas aus dem langen Schlaf geweckt.
Der erste Blutstropfen, der die Kreatur berührte, traf sie wie ein Stromschlag. Um sie herum befand sich die Welt in Aufruhr. Riesige Objekte durchschlugen die Wasseroberfläche und sanken dicht neben dem uralten Wesen zu Boden.
Mit einer schnellen Bewegung brachte sich die Kreatur in Sicherheit und wartete. Als sich das Wasser wieder beruhigt hatte, schossen Teile ihres unförmigen Körpers wie Tentakel hervor und untersuchten die Umgebung. Das Wasser war getränkt mit Blut, das das Wesen gierig in sich aufsog. Es stammte von einem Dutzend dieser unglaublich zerbrechlichen Oberflächenbewohner, die leblos im Fluss trieben.
Mit ihren Tentakeln zog die Kreatur die zerstörten Körper zu sich heran, um sie bis auf den letzten Tropfen auszusaugen. Doch sie wusste, dass das nur der Anfang sein konnte.
Sie brauchte mehr Blut. Und sie wusste, wie sie es bekommen konnte.
***
Boston
Chin-Li konnte Kinder nicht ausstehen. Und das Rotzblag, das sich provozierend vor ihr aufgebaut hatte, machte da keine Ausnahme. Der Junge war gerade mal 14 Jahre alt, aber er posierte, als sei er Jackie Chan persönlich.
»Los, komm schon, wenn du dich traust! Schlag mich!«
Chin-Li sah den Jungen in der weißen Trainingsmontur skeptisch an. »So spricht man nicht mit seiner Lehrerin«, sagte sie ruhig.
»Das ist mir egal! Du bist gar keine echte Lehrerin. Das ist erst dein erster Tag hier. Und
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