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0815 - Die Schlangenschwester

0815 - Die Schlangenschwester

Titel: 0815 - Die Schlangenschwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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vor ihrem Maul, der vor Kraft berstende Hinterleib bewegte sich unruhig hin und her.
    »Still!«, rief die rothaarige Frau, die nach wie vor reglos vor dem knorrigen Baum stand und das Treiben bisher teilnahmslos beobachtet hatte.
    Ihre Schlange verharrte reglos, doch die Wolfskreatur fragte sich mit ihrer rudimentären Intelligenz, was sie tun sollte. Was ging sie der Befehl dieser Fremden an?
    »Wir haben selten Gäste in Samila«, fuhr die Fremde ungerührt fort, »zudem solch erlesene wie dich! Ein Werwolf -eine wahrlich erhabene Kreatur! Was führt dich hierher?«
    Das Wort pochte im Schädel der Kreatur. Werwolf… Die Bestie kannte diese Bezeichnung. Dieses Wort hatte große Bedeutung, die Kreatur hatte sich lange damit beschäftigt.
    Nein! Nicht die Kreatur. Da war die dumpfe Erinnerung daran, dass sie nicht immer ein Wolfsmonster gewesen war. Da war noch etwas anderes…
    »Erinnere dich!«, rief die fremde Frau. »Ich sah dich eben noch als Mensch! Du bist eine Frau so wie ich!«
    Diese Worte erschütterten die Kreatur, die nicht über so etwas nachdenken wollte. Sie hatte Besseres zu tun! Beute - sie wollte die Beute, denn der Hunger und die Gier wühlten in ihren Eingeweiden.
    Aus dem Stand sprang sie nach vorn, schlug mit ihren Vorderpranken nach der Schlange und riss dem Reptil den Schädel ab. Der tote Leib zuckte und wand sich auf dem Boden, der Schlangenkopf rollte der Fremden vor die Füße.
    Die Rothaarige schrie erschüttert auf und bückte sich nach dem Schädel der Schlange.
    Das Wolfsmonster ignorierte den Kadaver. Sein einziges Interesse galt der Frau - sie war ein geeignetes Opfer, den rasenden Blutdurst zu stillen. Der Wolf riss sein Maul auf und freute sich darauf, seine Zähne in den Leib der Fremden zu schlagen, ihr Leben, ihr Blut zu schmecken.
    Doch die Kreatur prallte gegen eine unsichtbare Wand, ein Blitz aus purer Magie zuckte und schmetterte in den Wolfsleib, der zur Seite geschleudert wurde.
    Schmerz durchzuckte die Bestie, ihr Körper schien zu explodieren, und ein gequältes Jaulen kam aus dem malträtierten Maul. Dunkles Blut tropfte herab und verflüchtigte sich zu Staub, ehe es in den Boden einsickern konnte.
    Die Wolfskreatur wollte sich erheben, doch sie war nicht in der Lage, auch nur eine einzige gezielte Bewegung auszuführen. Sie hechelte mit halb offen stehendem Maul.
    Die fremde Frau trat heran, denn Schlangenkopf in ihren Händen haltend. »Du hast meinen Wächter getötet.« Ihre Stimme war wie Eis, nacktes Entsetzen spiegelte sich in ihr wider.
    Sie beugte sich herab, bis die Spitzen ihrer Haare das Wolfsmonstrum am Schädel berührten. »Die Schlange war arglos… es gab einfach zu wenig Feinde in den letzten Jahrhunderten. Es wurde höchste Zeit für eine Herausforderung.«
    Die Kreatur wand sich innerlich. Wie gern hätte sie die Frau gerissen. Sie bot ihren bleichen Hals freiwillig dar, nur wenige Zentimeter entfernt, doch so sehr die Begierde und der Trieb auch in der Wolfsbestie pochten, so unmöglich war es für sie, sich zu bewegen.
    »Du wärst die Richtige, den Platz der Schlange als meine Wächterin einzunehmen. Doch leider, leider musst du sterben.« Die Rothaarige schüttelte den Kopf, als bedauere sie es wirklich. »Ein Werwolf in Samila«, sagte sie leise und lachte. »Was hätte das für eine Aufregung geben können.«
    Dann bog sie die toten Kiefer des Schlangenschädels, aus dem noch immer farblos-graues Blut tropfte, auseinander, bis die langen Giftzähne frei lagen. Sie glitzerten feucht.
    Die Kreatur beobachtete hilflos, wie die nadelspitzen Giftzähne an ihre Schnauze herangeführt wurden, dann spürte sie den kurzen Schmerz. Die Schnauze zuckte in einem letzten, hilflosen Reflex.
    Das Wolfsmonster wusste, dass es sterben würde, obwohl ihm Gifte eigentlich nicht schaden konnten. Das Gift dieser Schlange jedoch war magisch.
    Die Kreatur empfand kein Bedauern über den bevorstehenden Tod, denn sie empfand nichts , in ihr war nichts außer Instinkt und Gier. Und Hunger, der nun niemals mehr wieder gestillt werden würde.
    Etwas in dem Monster allerdings, die dumpfe Erinnerung an eine Frau namens Sandrine, freute sich auf den Tod.
    Dann starb die Kreatur.
    Endlich und endgültig…
    ***
    Ja, die Kreatur stirbt.
    Ja, der Wolf stirbt.
    Ja, merde - das Monster stirbt.
    Aber ich überlebe. Sandrine.
    Ich überlebe im wahrsten Sinn des Wortes, denn zum ersten Mal seit einer schieren Ewigkeit lebe ich wirklich. Und nicht mir als ein Teil einer

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