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0816 - Der Todesbaum

0816 - Der Todesbaum

Titel: 0816 - Der Todesbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylke Brandt
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abgeholt, mit Rosenstrauß und allem.« Der Hotelier schnaubte und zeigte seine ganze gesittete Verachtung. »Sie ist erst sehr spät wieder hier gewesen, soweit ich weiß. Und er ist mit raufgegangen.«
    »Wirklich, nein so was!« Zamorra hüstelte, um ein Lachen zu unterdrücken. Nicole hatte ihre Augen weit aufgerissen und erschrocken die langen Finger an den Mund gelegt, eine überaus reizende Geste. »Und dann haben sie als braver Mann bestimmt Ihren Beobachtungsposten verlassen und die ganze Sache unterbunden.«
    »Beobachtungsposten?«, echote der Mann verblüfft. »Sie meinen… nein, natürlich nicht! Ich spioniere meinen Gästen doch nicht hinterher!«
    Zamorra, der den Schalk in den Augen seiner Gefährtin blitzen sah, unterbrach den Wortwechsel, ehe der Hotelier ihnen die Tür zeigen würde. Er gab ihm eine Beschreibung von Jules Leroc, und der fremde Nachtbesuch hatte zumindest große Ähnlichkeit mit dem Verschwundenen. Am nächsten Morgen, so sagte der Hotelbesitzer, wäre der Wagen Lerocs nicht mehr in der Straße gewesen. Auch seine Gäste hatten ausgecheckt, bevor er selber wach war - das hatten sie aber bereits am Tag vorher mit ihm abgemacht. Ob er irgendwie ein schlechtes Gewissen hatte oder Zamorras kleine Geldspende noch ihre Wirkung tat, der Hotelier ließ sich nicht zwei Mal bitten, die Adresse dieser Merille Sandson herauszugeben. Er hatte sie von ihrem Ausweis abgeschrieben und war sich ziemlich sicher, dass sie korrekt war.
    »Bocage-Noir«, las Zamorra nachdenklich vor, als sie wieder vor die Tür traten. »Muss in der Bretagne liegen, aber ich habe nie davon gehört. Vermutlich ist es ein winziges Nest.«
    »Und wenn Jules Leroc der flotte Dreier einfach so viel Spaß gemacht hat, dass er mit den beiden nach Hause gefahren ist und einen erotischen Urlaub macht?«
    »Das kann natürlich sein. Aber irgendwie glaube ich das nicht.« Zamorra hakte sich bei seiner Geliebten ein und zog sie an sich, während sie zum Wagen zurückgingen. »Sag mal, Nici, wie fändest du einen kleinen spontanen Urlaub im Norden unseres schönen Landes?«
    »Ferien auf dem Bauernhof, ja? Mit dir, Chéri«, antwortete Nicole und warf ihm einen lachenden Blick zu, »würde ich sogar in die Hölle gehen.«
    Was sie bereits mehr als einmal be wiesen hatte.
    ***
    Der silberfarbene BMW 740i schnurrte über die gewundenen Landstraßen und fraß mit ruhiger Gleichmäßigkeit die Kilometer. Die Gegend erschien rauer und wilder, je weiter sie nach Norden kamen. Das Land wurde hügelig, und die Bäume an den Straßen sahen aus, als würden sie regelmäßig vom starken Wind gebeutelt.
    In früheren Zeiten war das ganze Gebiet der Bretagne von dichten, urtümlichen Wäldern bedeckt gewesen, aber die Landwirtschaft hatte den Forst Stück für Stück zurückgedrängt. Zamorra wusste, dass die herbe Schönheit dieser Gegend noch immer einige Geheimnisse barg. Westlich der Stadt Rennes lag zum Beispiel der verwunschene Wald Brocéliande, der Merlin gehörte. Reiseführer priesen ihn als einen »Zauberwald« und ahnten nicht einmal, wie nahe sie damit der Wirklichkeit kamen. Um den Wald hatte es vor gar nicht so langer Zeit heftige Kämpfe gegeben. Zamorra hoffte, dass die Sache in Bocage-Noir um einiges friedlicher ausgehen würde.
    Nicole war in der warmen Stille der Nobelkarosse eingeschlafen und wachte erst wieder auf, als Professor Zamorra fast den Ort erreicht hatte. Sie sah aus dem Fenster in die Abenddämmerung und blinzelte.
    »Hübsch«, meinte sie dann und legte die Stirn in Falten. »Warum hast du mich nicht geweckt, bevor wir das Ende der Welt erreicht haben?«
    »Ich gebe zu, nach Paris ist das hier ein ziemlicher Kulturschock. Aber es sieht spannend aus.«
    »Wenn du etwas spannend nennst, will es uns bestimmt gleich den Kopf abbeißen«, murrte Nicole und streckte sich gähnend.
    Bocage-Noir war ein Ort mit vermutlich nicht mehr als hundert Einwohnern. Kleine, uralt aussehende Häuser aus grauschwarzem Stein drängten sich an enge Straßen, als hätten sie Angst, in der Dunkelheit verloren zu gehen. Segensreiche Erfindungen wie elektrische Straßenbeleuchtungen schienen sich nicht bis hierher durchgesetzt zu haben - obwohl es alte Masten gab -, und das Licht hinter den Fenstern wirkte gelblich und unstet. Nirgendwo konnte Nicole das blaue Flackern eines Fernsehers erkennen. Trotz der gar nicht so späten Stunde war keiner mehr auf den Straßen unterwegs, die Häuser hatten ihre Bewohner in sich versteckt wie

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