0816 - Der Todesbaum
Kultistin die Seiten gewechselt. Offenbar konnte sie mit der wahren Gestalt ihres Baumes nicht glücklich werden.
Der Mann namens Michel sah das anders. Er tauchte hinter Merille auf und schlug hart und rücksichtslos auf die Frau ein. Es schien so, als würden seine Schläge irgendwie abgemildert, aber die Wucht drang trotzdem durch und warf Merille fast wieder ganz zu Boden.
Ein paar Fäden lösten sich aus dem Strahl urtümlicher magischer Energie, der aus Merilles Händen sprang, und attackierten Michel. Er ignorierte sie in seinem Zorn, auch wenn sie verbrannte Spuren über seine Haut zogen, und schlug weiter.
Der Baumdämon wurde durch das Gerangel auf die beiden Menschen aufmerksam. Und auch wenn er nicht zu den hellsten Vertretern seiner dämonischen Gattung gehört, erkannte er in Merille eine der Quellen seines Schmerzes.
Mit drei Schritten seiner kurzen Beine war er bei ihnen. Kurze Beine, ja -Nicole blinzelte. Der Dämon war wieder in sich zusammengesunken. Die Magie von Merille schien ihm nicht gut zu tun, von den Blastern ganz zu schweigen. Trotzdem hatte er noch die Kraft, seine verbliebenen zwei Tentakel zu heben und sie mit voller Wucht auf die beiden Menschen niedersausen zu lassen.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Das goldene Licht verlosch, als Merille von dem Baumdämon getötet wurde. Auch Michel wurde unter dem Tentakel wie eine Fliege zerquetscht. Und die E-Blaster blieben mit dem letzten Rest ihrer Energie siegreich: Der Kopf des Baumdämonen zerbarst.
Die ganze Kreatur stürzte zu Boden, verwandelte sich in etwas wie Wasser und verschwand von einem Moment auf den anderen.
Eine fast unheimliche Stille breitete sich aus, als der Blasterbeschuss endete und Nicole ebenso wie Zamorra die Waffe senkte.
Dann standen sie auf dem stillen Hügel im Feuerschein des Baumes und im silbernen Glanz des Mondes.
***
Dichte Wolken zogen über den nächtlichen Himmel, und es regnete ein wenig. Nicole stand am Fenster und sah zu den Wolken hinauf, einen heißen Milchkaffee in der Hand. Sie war zufrieden.
Hinter ihr im Wohnzimmer des Château Montage hatten sich einige ihre Freunde versammelt. Ein Feuer flackerte im Kamin. Madame Claire hatte ein wunderbares Abendessen bereitet, und William zog sich gerade zurück, nachdem er Cognac und Wein gebracht und sich vergewissert hatte, dass niemand mehr irgendetwas brauchte.
Sie hörte mit einem halben Ohr zu, wie Zamorra ihre Erlebnisse in Bocage-Noir schilderte. Von den Mitgliedern des magischen Kreises hatten ein paar überlebt, doch sie waren allesamt geflohen und im Dorf untergetaucht oder gänzlich aus der Gegend verschwunden. Die Einzige, auf die Nicole hätte mit dem Finger zeigen können, war die alte Wirtin, aber die stellte keine Bedrohung mehr da, jetzt, da der Baumdämon vernichtet war…
»Es wird nicht lange halten«, erklärte Gryf gerade, als hätte er ihre Gedanken gehört. Vielleicht hatte er das sogar.
Der Druide hatte der ganzen Geschichte mit besonderem Interesse gelauscht. Es war ihm anzusehen, dass er gern dabei gewesen wäre. Aber wirklich überrascht oder schockiert wirkte er nicht. Nun, es brauchte wohl mehr als so einen kleinen Baumdämonen, um jemanden zu verwundern, der schon seit 8000 Jahren die Wege der Menschen verfolgte.
»Die Magie, die sie von dem Baumdämon verliehen bekommen haben, war genau das: geliehene Magie. Er hat ihnen nicht wirklich Fertigkeiten geschenkt, sondern nur die Kraft. Sobald sie einmal verbraucht ist, war es das. Entweder finden die Leute eine neue Quelle, oder sie sind danach wieder so magisch wie dieses Sofakissen.«
Gryf tätschelte das weiße Kissen, hielt dann inne und beäugte es genauer. In dem Haus eines Parapsychologen wie Zamorra konnte man sich nie ganz sicher sein, ob alles so war, wie es auf den ersten Blick erschien.
Aber das Kissen blieb still und widersprach nicht, und so fuhr Gryf fort.
»Ganz abgesehen davon, dass die Mitglieder dieses Kreises also ein Haufen bereitwilliger Massenmörder sind, die sich vom Bösen haben verführen lassen, ist von ihnen keine Gefahr mehr zu erwarten.«
»Und wie groß ist die Chance, dass sie eine neue Machtquelle finden?« Pascal Lafitte hatte der ganzen Erzählung ziemlich stumm und in sich gekehrt gelauscht. Er musste sich mit dem Gedanken abfinden, dass ein langjähriger Freund tot war. Und das würde noch einige Zeit dauern. Dass Jules Leroc überhaupt erst Zamorra und Nicole auf die richtige Spur gebracht hatte, war da nur ein
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