0816 - Die Schattenfrau
Weg machte, ging ich bereits zur Tür. Feisal musste uns einfach fahren lassen. Schließlich lag eine Aufklärung auch in seinem Interesse.
***
Clifford Tandy trat ins Zimmer und fühlte sich wie ein Mann, der Bleiplatten an seine Füße hatte, so schwer fiel ihm das Gehen. Sein Blick war starr, gleichzeitig nach innen gekehrt, und er war froh, sich endlich setzen zu können. Tief atmete er ein und aus. Sein Kopf brummte. Bienen schienen in seinem Kopf zu summen, und als er auf seine Hände schaute, sah er das leichte Zittern.
Er legte sie auf die Oberschenkel und wartete so lange, bis sie sich beruhigthatten. Dann drückte er seinen Oberkörper zurück, wobei er die Augen geschlossen hielt. Wie eine Figur, die noch von einem Sockel gehalten wurde, fiel er langsam nach hinten und stöhnte auf, als sein Hinterkopf das Kissen berührte.
Ging es ihm besser?
Im Prinzip schon, doch eine gewisse Lähmung steckte noch immer in seinen Gelenken. Er schaffte es einfach nicht, die schrecklichen Ereignisse zu vergessen oder so weit zurückzudrängen, dass er wieder normal und klar denken konnte. Er war der Gefangene seiner eigenen Erlebnisse, die in ihm hochstiegen, als würde immer derselbe Film vor ihm ablaufen.
Er war müde und gleichzeitig hellwach. Diesen Zustand kannte Clifford. Er hatte ihn immer dann überfallen, wenn wichtige Entscheidungen bevorstanden, und er wusste genau, dass er vor einer Gabelung stand, die in zwei Richtungen führte.
Eine brachte ihn ins Abseits, in eine Welt, in der er nicht mehr mit seinem Beruf konfrontiert wurde und irgendwann alles vergessen hatte, was er aber nicht wollte.
Also kam für ihn nur die zweite Gabelung in Frage. Und die führte ihn zu Zeo.
Welch eine Frau!
Sie wollte ihm einfach nicht aus dem Sinn. Sie war für ihn die Faszination schlechthin. Auch wenn er die Augen schloss und versuchte, nicht mehr an sie zu denken, war es nicht zu schaffen. Ihr Bild stieg immer wieder vor seinem geistigen Auge auf. Er sah sie aus einer dunklen Erde emporsteigen, lächelnd, mit ausgebreiteten Armen, als wollte sie ihn umarmen.
Tandys Augen fielen zu. Er sank jedoch nicht in einen tiefen Schlaf, sondern trat hinein in einen Zustand, der zwischen Wachen und Ruhen lag. Das war einfach Schweben, das Dämmern, vollgefüllt mit Gedanken, die ihn peinigten und ihm gleichzeitig Freude bereiteten. Er wusste einfach nicht, was er denken sollte, denn nicht mehr er hatte die Kontrolle über sich selbst, sondern eine andere Kraft – eben Zeo.
War noch beim Hinlegen das Rauschen in seinem Kopf gewesen, so hatte sich dieser Zustand nun verändert. Es dröhnte und rauschte nichts mehr. Er spürte etwas anderes, das aus einer sehr weiten Entfernung in seine Nähe drang und sich zu einer Stimme vereinigte, die er kannte.
Sie sprach zu ihm, und die Lippen des Ruhenden zogen sich zu einem Lächeln in die Breite.
»Ich bin noch hier. Ich bin in deiner Nähe…« Flüsternd erreichte ihn die Stimme.
»Ja.« Er hörte sich selbst antworten, ohne dass er normal sprach.
Das spielte keine Rolle mehr bei diesem ungewöhnlichen und auch unheimlichen Zwiegespräch.
»Liebst du mich?«
»Du… du bist faszinierend.«
»Ich weiß es. Was würdest du für mich tun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber du liebst mich?«
»Ja.«
»Du willst mich sehen?«
»Ja.«
»Du willst, dass ich in deiner Nähe bin?«
»Auch das.«
»Ich werde da sein. Nein, ich bin sogar da. Ich liebe dich auch. Ich liebe deinen kostbaren Lebenssaft, Clifford. Ich habe immer darauf gewartet, dass mich jemand in meinem kühlen Grab besucht. Es war so wunderbar, als du kamst. Ich habe es genossen, das Gefühl des Befreit seins, und dann sah ich dich, mein Lieber.«
Nicht nur der Atem stockte ihm, auch seine Stimme war plötzlich weg. Tandy konnte nicht mehr sprechen. Er lag da und wartete darauf, wie es weiterging. Er spürte sie. Es war ein Hauch, der über ihn hinwegstreifte, zurückkehrte, sich aber verändert hatte, denn der Hauch sorgte für einen gewissen Druck.
Finger auf seinem Körper. Sie huschten leicht darüber hinweg.
Sie waren einfach wunderbar. Sie glichen tastenden Liebesbeweisen, die ihn umfingen und ihn auch nicht aus ihrem Bann entließen. Er fühlte sich wie unter einem Schleier liegend, und es war für ihn wunderbar, sich diesem Zustand hinzugeben.
Etwas zerrte an seiner Kleidung. Er trug nur ein dünnes Hemd.
Es war nicht einmal bis zum Hals zugeknöpft, und die Finger tasteten sich weiter nach oben, als
Weitere Kostenlose Bücher