0816 - Die Schattenfrau
ausbreitete.
Ich betrachtete ihn genauer.
Er war halbnackt. Jemand hatte an seiner Kleidung gezerrt und gezupft. Das aber erschreckte mich nicht.
Es war das Blut, das aus kleinen Wunden gequollen war und auf dem Körper ein Muster aus roten Perlen hinterlassen hatte…
***
Der Schock dauerte bei mir nicht lang. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich Clifford atmen hörte. Er war nicht tot, es musste ihm den Umständen entsprechend gut gehen.
Zwei Schritte brachten mich an sein Bett heran. Ich ging auch jetzt so geräuschlos wie möglich, schaute auf ihn nieder und entdeckte die Blutperlen auch in seinem Gesicht und am Hals, wobei einige von ihnen verschmiert waren, als hätte jemand ihn abgelenkt.
Zeo war hier gewesen, und Zeo musste es wieder geschafft haben, Tandy in ihren Bann zu ziehen.
Ich atmete tief durch, schaute mich dann im Raum um, aber Cliff und ich waren allein. Ein Stuhl stand in der Nähe. Ich holte ihn mir heran und ließ mich direkt neben dem Bett nieder.
Mein ehemaliger Schulfreund schlief. Zwar waren auch seine Lippen von Blutperlen umrandet, sie allerdings konnten das Lächeln des Mundes nicht übertünchen. Clifford musste einen schönen Traum gehabt haben, trotz der zahlreichen Verletzungen.
Ich wollte und konnte ihn nicht mehr schlafen lassen. Die Neugier trieb mich dazu, ihn zu wecken.
Es war nicht einfach, denn Cliff Tandy schlief sehr tief. Einige Male rüttelte ich an seiner Schulter, bis ich das leise Stöhnen hörte, das mir einen ersten Erfolg anzeigte.
Er bewegte die Hände. Dabei murmelte er Worte, und ich verstand auch den Namen Zeo.
Diese Person musste ihn tief in seine Träume hinab verfolgt haben. Bei ihm drehte sich alles nur um sie allein. Es gab einfach nichts, was ihn noch hätte ablenken können.
»Cliff – bitte…«
Endlich drang meine Stimme in sein Bewusstsein, und sie musste ihn wohl erschreckt haben, denn er schnellte hoch.
»He, was ist… was …?«
»Ich bin es, Cliff.«
Er schaute mich an, und ich hatte den Eindruck, ein fremdes Gesicht vor mir zu sehen. »Du bist es, John?«
»Ja, in voller Größe.«
Seine Stirn zeigte Falten, als er nachdachte. Er bewegte die Lippen. Wieder formulierte er den Namen der Frau, dann aber sah er, was mit ihm geschehen war. Ein Blick auf die Brust und auch auf den linken Arm zeigte es ihm.
»Ich… ich blute ja …«
»Richtig.«
Er schluckte, schaute weiter, sezierte seine Haut und sagte dann:
»Aber ich verspüre keine Schmerzen, John.«
»Sie weiß, was sie tut, Cliff.«
»Ja – was denn?«
Ich blickte in sein Gesicht, das durch die zahlreichen Blutstropfen darin einen schaurigen und monströsen Ausdruck hatte. »Sie hat dich auserwählt, Cliff, aber das brauche ich dir nicht zu sagen. Sie hat dich in dieser Nacht noch besucht, das stimmte ebenfalls. Aber es ist noch etwas vorgefallen, mein Lieber. Durch ihren Besuch hat sie dich noch mehr an sich gekettet. War dem nicht so?«
Er runzelte die Stirn. »Gekettet…«
»Woran kannst du dich erinnern?«
Cliff schluckte. Er hob die Schultern. »Ich… ich habe keine Ahnung, John. Ich … ich … kann mich an nichts erinnern, weißt du? An überhaupt nichts.«
»Auch nicht an deine Träume?«
Im nächsten Moment veränderten sich seine Augen. Sie glänzten nun. »Ja«, sagte er und holte tief Luft. »Ja, daran kann ich mich erinnern. Es waren wunderbare Träume, John, herrliche. Ich… ich fühlte mich wie im Himmel. Ich schwebte auf einer Wolke. Es war oft dunkel um mich herum, aber trotzdem hell. Ich war da, und ich war weg, und ich suchte sie. Sie allein.«
»Du meinst Zeo?«
»Ja, wen sonst?«
»Sie kam zu dir.«
Seine Augen glänzten. »Nein, das ist nicht richtig. Sie schwebte heran wie ein Engel. Sie war so herrlich, so seidenweich, sie war kaum zu fassen, und ich befand mich in einer Lage, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Ich schwebte ebenfalls wie auf Wolken dahin. Ich spürte sie überall. Zeo schien zehn, zwanzig Hände zu besitzen, die meinen Körper liebkosten. Sie streichelte mich, sie war einfach eine wunderschöne Sünde.«
Um dieses Schwärmen verstehen zu können, musste man diesen Traum wohl selbst erlebt haben. Das hatte ich nicht, deshalb konnte ich ihm da auch nicht zustimmen und es erst recht nicht nachvollziehen.
Ich kam auf die kleinen Wunden zu sprechen und wollte auch wissen, ob er Schmerzen erlitten hatte.
»Schmerzen?« wiederholte er.
»Ja, was sonst?«
»Nein, John, ich bitte dich, das waren keine Schmerzen. Ich
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