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0816 - Die Schattenfrau

0816 - Die Schattenfrau

Titel: 0816 - Die Schattenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der es nicht gewohnt ist, und dazu zählte ich. Ich schluckte den Staub, ich bekam weiche Knie, ich zog die Beine oft nach und schleppte mich förmlich voran. Meinem ehemaligen Schulkollegen Cliff Tandy schien das Laufen gar nichts auszumachen. Er bewegte sich locker und federnd, ließ sich durch nichts aufhalten, und es machte ihm auch das Gewicht der schweren Tasche nichts aus.
    Er hatte einiges an Werkzeug mitgenommen, unter anderen befand sich auch eine starke Taschenlampe im Gepäck, und zwei batteriebetriebene Standleuchten hatte er ebenfalls dabei.
    Schweigen umfing uns. Ich dachte daran, dass ich mich vor einigen Monaten in der israelischen Wüste herumgetrieben hatte.
    Vergleiche waren durchaus legitim, und auch damals war ich mir trotz Begleitung verlassen vorgekommen.
    Aber das Ziel rückte näher. Es war gut zu erkennen und sah aus wie eine gewaltige Freiluftbühne, die grau angestrichen war.
    Auch der Himmel wurde grau. Die Dämmerung fraß den Tag.
    Noch schien die Sonne, doch sie war nur mehr als halber blutroter Ball tief im Westen zu erkennen. Nicht sehr lange, dann würde sie vollends verschwunden sein.
    Clifford hatte nicht gelogen. Tatsächlich entdeckte ich die hohe Steinfigur, die aus dem tiefer liegenden Grab hervorragte. Aus der Distanz gesehen erschien sie mir wie ein gesichtsloser Klotz, den die Schatten der Dämmerung umfingen.
    Mir fielen die so genannten Reste der Zivilisation auf. An dieser Stelle musste sich einmal ein Lager befunden haben. Plastik, leere Büchsen, Papier – das alles war rücksichtslos fortgeworfen worden.
    Der Wüstenwind spielte damit. Erwehte gegen die Dosen, die mit blechern klingenden Geräuschen über das Gestein rollten.
    Für mich schon überraschend schnell hatten wir das Grab erreicht und blieben an dessen Rand stehen. Ich schaute hinein und staunte.
    Vor mir lag eine große Grube. Möglicherweise täuschte ich mich auch, was die Abmessungen betraf, aber die archäologische »Baustelle« kam mir gewaltig vor, vielleicht auch deshalb, weil die Dämmerung die Ausmaße nicht richtig erkennen ließ. Da flossen die Ränder ineinander, und über der Fundstelle schien eine gewellte Decke ihren Platz gefunden zu haben.
    Überragt wurde die Grabstätte von einer mächtigen und sehr kantigen Figur. Es war ein gesichtloses, auf einem Steinthron hockendes Monstrum, ein Standbild, wie ich es nur selten gesehen hatte. Hinter ihm und hoch am Himmel zeichnete sich der Mond ab. Er leuchtete in einer direkten Verbindungslinie zu diesem Steinbildnis, und wenn er höher kletterte, würde sein Licht auch als bleicher Schimmer in das große Grab fallen.
    Sah so tatsächlich ein Grab aus?
    Glauben konnte ich es nicht. Gänge und Wände verteilten sich ähnlich wie in einem Labyrinth, doch nahe der Figur war der Platz frei. Dort gab es so etwas wie eine Opferstelle, flankiert von zwei großen Krügen und steinernen Gebilden, die wie kahle Palmen aussahen, als wären diese von einem Ascheregen entlaubt worden.
    Clifford Tandy stand neben mir. Er atmete schnell und hastig.
    Dunkel glänzten seine Augen, als spiegelte sich dasinnere Fieber darin wider, das er verspürte. »Nun?« fragte er mich, »was sagst du dazu?«
    »Imposant.«
    »Mehr sagst du nicht?«
    »Auch faszinierend.«
    »Das ist noch zu wenig, John, viel zu wenig. Ich finde es einfach phänomenal, einmalig. So etwas gibt es kein zweites Mal, du wirst es merken. Das hier ist ein Wunder.«
    »Von dir erschaffen.«
    »Nein, John. Ich habe es nur wieder aus der tiefen Vergangenheit hervorgeholt. Du glaubst gar nicht, wie ich staunte, als ich sah, was da unter der Erde vergraben war. Das kann ich kaum beschreiben. Es war ein wahnsinniges Gefühl, ich hätte jubeln können. Ich wäre beinahe in den Himmel gesprungen.« Er nickte heftig, streckte beide Arme nach vorn und spreizte sie vom Körper ab. »Ist es nicht einmalig?«
    »Na ja«, sagte ich.
    »Komm, gib es zu!«
    »Für dich ja. Mich macht diese Stätte neugierig. Vor allem die gesichtslose Figur.«
    »Ja?«
    »Wer ist sie? Wen soll sie darstellen?«
    »Denk nach.«
    »Tu ich doch.«
    »Sie ist ein Überbleibsel aus einer anderen Zeit.«
    Obwohl ich ahnte, auf was mein ehemaliger Schulkollege hinauswollte, setzte ich eine Frage nach. »Ein Überbleibsel, ein Rest also. Aus welcher Zeit, bitte?«
    »Sie ist nicht erforscht. Wenn du dir die Figur näher anschaust, wirst du feststellen, dass sie nicht zu den Götter- und Götzenstandbildern passt, die im alten Ägypten

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