0818 - Die Gravo-Schleuse
versicherte: „Mein Netz ist erst zu einem Drittel voll. Dafür habe ich geäderte Würfel aus Kagelpluph hier. Ich sollte ein wenig schneller sein, aber ich bewundere wie immer die Schleuse."
„Verständlich. Ich kann die Organdreiheit von hier aus sehen. Wann willst du aufhören?"
„Erst am Morgen. Was weißt du von den Fremden, diesen Ahnungslosen?"
„Wir glauben, der Anführer nimmt unsere Einladung nach Stammnest an. Aber wir haben Bedingungen gestellt."
Jetzt war die freudige Erregung bei Chetvonankh. Er schlenkerte die langen Arme und gab zurück: „Man kann einen lieben Gast auch ein Gravonetz einspinnen. Taktik, wie?"
„Du sagst es. Bis später. Schöne Muster, Chet."
„Harmonische Linien, Shaadja." Der Leichtsteinsucher bewegte sich weiter in einem genau ausgeklügelten Muster über das Geröllfeld. Nur das Organ, das im Nacken baumelte, unterhalb der Knochenwülste, konnte erstens die Zufallsharmonie innerhalb der heruntergestürzten Steine erkennen, zweitens die winzigen, aber augenfälligen Abweichungen feststellen. Vor einer gewaltigen Zeitspanne schienen sich hier Gletscher, reißende Flüsse oder brodelnde Meere ausgetobt zu haben. Von überall her hatten sie Steinbrocken mit sich geschleppt und zu Würfeln, Kugeln oder Vielfachformen geschliffen und gespalten. In der Dunkelheit schienen die disharmonischen Punkte zu leuchten, aber dies war eine poetische Übertreibung, die sich der Leichtsteinsucher von Zeit zu Zeit gestattete. Jedenfalls holte er von Zeit zu Zeit das engmaschige Netz aus der Luft über seinem Kopf, wo es schwerelos entlangglitt.
Wieder klickte ein Stein auf die anderen. Das Netz füllte sich. Es waren keine ausgesprochen seltenen Steine, aber in den Zeiten des Aufbruchs und der kommenden Arbeiten war es schwierig, Zeit für solche schöngeistigen Dinge zu haben. Aus diesem Grund opferten die beiden Steinsammler die Hälfte der Nacht für eine nicht lebensnotwendige Arbeit, die aber eindeutig den Vorzug hatte, daß sie sich innerhalb des Harmoniegefüges befand und mithalf, die Ordnung zu erhalten.
Nur so kann die Harmonie des Gravitationsganzen gewährleistet werden, dachte Chetvonankh und bückte seinen Körper leicht. Nichts ist schöner, nichts ist wichtiger. Es ist der Sinn unseres Lebens, und das wissen die Fremden nicht.
Alle Varben brachten gern fast jedes Opfer. Es war nicht wirklich ein Opfer, es war eine Ehre, etwas zu tun, das dem Ganzen half, wenn es auch die Bequemlichkeit des einzelnen beschnitt.
Ein bestimmter Zellverband der Facettenaugen orientierte sich zum Firmament hinauf. Auch dort waren - gerade dort! - Gravolinien, die sich in bestimmten, dauernden Winkeln kreuzten und überschnitten. An den sieben Knotenpunkten las Chetvonankh die Zeit ab und entschied, noch eine Bahn entlangzugehen und erst dann aufzuhören, wenn das Netz ganz voll war.
Immer wieder schnellten die langen Arme nach hinten, zur Seite und nach vorn und sammelten Steine auf. Einmal einen Phanitbrocken von erstaunlicher Größe, marmoriert von elf Gravoadern, dann wieder Kagelpluph, jene ungleichmäßigen, würfelähnlichen Kristalle, hin und wieder einen Curmolin. Das Netz füllte sich und folgte dem Sucher. Schließlich, nach einem letzten Blick auf den Koloß, kratzte sich Chetvonankh an den Spitzen der Schutzplatte über dem Gravobeutel, fand eine Gravitationstrittspur und glitt geräuschlos an ihr entlang, bis er in die Nähe der Wohnblase kam.
Dort leerte er das Netz auf einen großen Haufen ähnlicher Fundstücke. Er fühlte, als er die Sammlung abschätzte, Stolz und Freude. Umgesetzt in eine geringwertige Ebene optischer Art würden diese Haufen in warmen Farben funkeln und sprühen, in Farben aus jedem Teil des Solarspektrums. Aber jetzt, auf der weitaus sichereren Basis des Gravitationssinnes, bildeten sie ein schönes, disharmonisches Riesenmuster, barbarisch wild und überzeugend.
Die Künstler würden das Muster zweifellos veredeln.
*
Natürlich, dachte der Steinsucher, verstanden die Fremden absolut nichts. Sie brauchten ungefüge Geräte, um auch nur die gröbsten Zentren und Cluster der Gravitation zu erkennen, und sie hatten keinen Sinn für die subtilen, in ihrer Gesamtheit harmonisierenden und beruhigenden Muster. Diese Muster bestimmten das Leben der Varben, und Chaos und Weltuntergang käme über Varben-Nest, wenn diese Muster verwirrt wurden.
Aber nach den Schweigenden Harmonien des Schweren Magiers würde dies erst in knapp eineinviertel
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