0823 - Monster-Engel
Kräften.
Sie waren es, die sich wieder auf die Menschen konzentriert hatten.
Ich verließ das Bad.
Inzwischen war die Morgendämmerung angebrochen. Sie drang auch durch das Fenster, breitete sich im Zimmer aus und umfing die auf dem Stuhl sitzende Kate Duvall. Sie kam mir in der noch düsteren Graue vor wie eine gespenstische Erscheinung, die auf dem Sessel eingefroren war.
Als ich in ihrer Nähe auftauchte, legte sie den Kopf zurück und schaute zu mir hoch. Ihre Wimpern bewegten sich flatternd, auch die Mundwinkel zuckten, und ich wartete darauf, dass sie etwas sagen würde.
Da sie es nicht tat, ergriff ich das Wort. »Es ist alles okay im Bad. Das Böse ist verschwunden. Wir können aufatmen.«
»Wie… wie lange denn?«
»Ich weiß es nicht.«
»Aber ich habe es gesehen«, sagte sie leise. »Ich habe es genau gesehen, John.«
»Wie war es?«
»Schrecklich!« stieß sie hervor. »Jetzt, da ich endlich darüber nachdenken kann, kommt es mir so vor, als wäre er erschienen, um mich ein letztes Mal zu warnen.«
»Warum?«
»Er hätte mich doch töten können.«
Ich hob die Schultern. »War es Leeland?«
Kate Duvall zog die Mundwinkel nach unten. »Was soll ich Ihnen dazu sagen, John?«
»Nur die Wahrheit.«
»Sie ist ein Monster!« Kate ballte die Hände zu Fäusten. »In Wahrheit ist er ein verfluchtes Monster. Kein Mensch mehr, sondern ein Monster. Ein Tier, ein… ich weiß es nicht genau, aber es ist eben so.«
»Eine Verwandlung«, stellte ich fest.
Kate hob die Schultern. »Ich weiß nicht, ob es eine Verwandlung gewesen ist, aber es wäre wohl eine Erklärung für dieses Phänomen. Ich jedenfalls komme damit nicht zurecht. Ich weiß wirklich nicht, was da vorgegangen ist. Zu begreifen ist es nicht.«
»Stimmt.«
Die Antwort hatte Kate nicht gefallen. »Sie sagen das auch, John? Meine Güte, Sie sind der Fachmann, und ich hatte mir gedacht, dass Sie eine Lösung haben.«
»Es wird schwer werden.«
»Sind Sie von Ihrer Meinung abgekommen?«
»Nein, das nicht«, erwiderte ich leise und betrachtete die Blumen, die aus einer auf dem Tisch stehenden Vase ragten. »Ich habe nur nicht mit einer derartigen Veränderung gerechnet, denn sie hat auch mich überrascht.«
»Vielleicht hat er zwei Aussehen.« Die Bemerkung bewies, dass Kate mitgedacht hatte.
»Das ist durchaus möglich. Dann aber ist er meiner Ansicht nach einen falschen Weg gegangen. Ich glaube nämlich nicht, dass er damit einverstanden ist.«
Kate stand auf und strich ihre Kleidung glatt. »Wie kommen Sie denn darauf?«
»Er hat immer danach gestrebt, ein Engel zu werden. Was haben Sie im Spiegel gesehen? Ein Monster. Weder einen Menschen noch einen Engel. Nur eben das Monster.«
Kate Duvall nickte. »Sie meinen, dass Luzifer seinen eigenen Diener überrumpelt hat?«
»So könnte es sein.«
»Er würde demnach als Monstrum weitermorden.«
»Auch.«
»Und als normaler Mensch?«
»Nehme ich an, denn bedenken Sie, Kate, dass er sich als eine monströse Gestalt nicht unter die Menschen wagen kann. Er muss einfach zugleich ein Mensch sein. Ich denke daran, dass er es schafft, seine Gestalt zu wechseln, wenn er will. Für mich ist das die einzig logische Erklärung, falls man überhaupt hier von Logik sprechen kann.«
Die FBI-Agentin schauderte. »Komisch«, flüsterte sie. »Vor vier Wochen wäre ich nicht bereit gewesen, eine derartige Aussage zu akzeptieren. Ja, er kann Mensch und Monster zugleich sein. Oder gibt es noch eine dritte Alternative?«
»An welche dachten Sie denn?«
»An einen Engel.«
Ich schüttelte den Kopf. »Entfernen Sie sich von dem Gedanken, dass Engel immer Flügel haben und strahlend und schön sein müssen. Ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, aber die Engel, wie Sie sie sich vorstellen, gibt es nur in der Fantasie der Menschen. Es mag sie auch in der fernen Realität geben, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Falco Leeland die Seiten gewechselt hat. Er ist zu Luzifer gegangen. Da herrschen andere Regeln.«
»Also Tod!«
»Ja, nicht Leben. Und wenn man bei ihm vom ewigen Leben spricht, dann ist es ein Dasein, an das man besser nicht denken sollte. Da wäre sogar der Tod eine Erlösung.«
»Eine Erlösung…« In ihre Antwort hinein meldete sich das Telefon. Sofort zuckte Kate zusammen und flüsterte scharf. »Das ist er!«
»Glaube ich nicht. Es wird mein Freund Suko sein, den ich informiert habe, als Sie im Bad waren.«
»Hoffentlich.«
Es war Suko. »Ich bin hier im Hotel«, meldete
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