0824 - Don Jaime, der Vampir
Gerücht stammte offenbar aus dem direkten Umfeld von Lucifuge Rofocale. Aber niemand wagte, es zu bestätigen. Wer etwas wusste, hatte offenbar panische Angst vor Bestrafung, wenn er etwas verriet. Selbst den Dämonen gegenüber!
Aber es war natürlich die Chance, auf die Don Jaime gewartet hatte.
Nun, in wenigen Augenblicken würde er wissen, ob das Gerücht stimmte oder ein reines Fantasieprodukt war.
Normalerweise war Château Montagne durch die unsichtbare Schutzglocke gesichert, die von weißmagischen Kreidezeichen rund um den Gebäudekomplex erzeugt wurde. Diese Schutzkuppel verhinderte, dass Schwarzblütige oder auch dämonisierte Sterbliche eindringen konnten. Sie wurden unweigerlich zurückgeschleudert.
Es ging die Mär von einem Dämon, der versucht hatte, die Magie-Abwehr mit sehr hoher Geschwindigkeit zu durchdringen. Wie eine Pistolenkugel oder Rakete: möglichst viel Druck auf möglichst geringe Fläche ausüben und damit die M-Abwehr knacken. Es hieß, dieser Dämon habe ich geradezu plattgeschlagen. Überlebt hatte er seinen Versuch jedenfalls nicht. Auch nicht jene, die versucht hatten, sich durch die M-Abwehr direkt ins Château zu teleportieren.
Angeblich war der Einzige, dem das jemals unter großen Schmerzen und Kräfteverlust gelungen war, der abtrünnige Asmodis, der sich jetzt Sid Amos nannte und nach seiner Abkehr von der Hölle eigene Wege ging und eigene Ziele verfolgte. Sein Erfolg sollte aber angeblich auch nur darauf beruhen, dass er der Bruder des Zauberers Merlin war…
Und nun sollte diese M-Abwehr durchlässig geworden sein?
Don Jaime ließ seinen Hispano-Suiza ganz langsam, zentimeterweise, über die hölzerne Zugbrücke auf das geöffnete Tor in der Schlossmauer zurollen. Rund um die Mauer zog sich ein Graben, der einst trotz der Hanglage mit Wasser gefüllt gewesen war. Die Schwarze Magie des Leonardo de-Montagne hatte das möglich gemacht.
Heute war der Graben natürlich trocken; allenfalls Regenwasser sammelte sich an den am tiefsten gelegenen Stellen. Aber die Zugbrücke gab es immer noch. Sie funktionierte auch noch.
Angst, dass die Holzbohlen unter dem Gewicht des Oldtimers brachen, hatte Don Jaime nicht. Immerhin mussten doch auch Möbelwagen hier fahren können.
Die lange Kühlerhaube schob sich jetzt durch das Tor. Der Chauffeursplatz näherte sich der Burgmauer immer weiter.
Noch näher…
Plötzlich spürte Don Jaime ein Kribbeln, das sich in seinem ganzen Körper ausbreitete und immer stärker wurde. Sein Herzschlag verlangsamte sich. Um ihn herum wurde es iihmer finsterer.
Plötzlich - war es schlagartig vorbei.
Vor ihm war der erleuchtete Vorplatz des Châteaus, das eine Mischung aus verspieltem Schloss und klotziger-Trutzburg war. Da war ein Ziehbrunnen, links ein flacher, gestreckter Bau - Garagen, bei denen eine Tür offen stand. Buschwerk und Bäume schirmten die Seitenflügel ab, die sich hangaufwärts zogen.
Idiotisch, eine Burg mitten am Hang zu bauen statt auf dem Berggipfel, dachte Jaime unwillkürlich. Ist doch von oben spielend leicht angreifbar!
Aber Leonardo deMontagne, der diese Burg, dieses Château, einst hatte erbauen lassen, hatte sich hier wohl sicher gefühlt.
Natürlich, als einer der mächtigsten Schwarzmagier…
Dann, mit etwas Verspätung, wurde es Don Jaime klar: »Ich hab’s geschafft!«
Er hatte die Abschirmung durchdrungen.
Er war drinnen!
Es war mehr als ein Gerücht, das an seine Vampirohren gedrungen war. Es stimmte tatsächlich. Die M-Abwehr um Château Montagne war durchlässig geworden.
Jaime grinste.
Aber er fragte sich, warum Lucifuge Rofocale das geheim hielt. Es wäre den Höllenmächten doch jetzt ein Leichtes gewesen, das Château mit all seinen Bewohnern aus der Weltgeschichte zu fegen! Warum tat Lucifuge Rofocale das nicht? Warum mobilisierte er nicht die höllischen Heerscharen und bliçs zum Großangriff? Einer solchen Invasion konnte auch Zamorra nicht widerstehen!
Aber vielleicht war es auch gut so. Denn Zamorra musste Don Jaime doch helfen. Danach konnte die Hölle der Unsterblichen ihn verschlingen. Danach, danach…
Und vielleicht wollte Lucifuge Rofocale den Ruhm dafür ganz allein kassieren. Vielleicht arbeitete er an einem todsicheren Plan und würde irgendwann demnächst zuschlagen…
Don Jaime gab wieder etwas Gas, bis er vor der großen Freitreppe war.
Dort stoppte er den Oldtimer ab und stieg aus.
Hier brauchte er ihn nicht abzuschließen. Hier gab es keine Autodiebe.
Gelassen stieg
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