0824 - Don Jaime, der Vampir
allein seines Alters wegen garantiert unter Denkmalschutzvorschriften. Dass da der Einbau einer solchen auffällig-modernen Türkonstruktion genehmigt worden war, verblüffte den Vampir.
Als er vor der Tür stand, öffnete sie sich vor ihm. Vermutlich war sie aber auch zu sperren und dann nur manuell zu entriegeln. Schließlich sollten bestimmt nicht Hinz und Kunz hier ein-und ausgehen, wie es ihnen gerade gefiel. Don Jaime hätte auch die Zugbrücke hochgezogen und Gäste bereits am Tor überprüft und zwischen lästig oder nahrhaft sortiert.
Drinnen standen überall Ritterrüstungen än den Wänden. So blank poliert, wie sie im Mittelalter sicher niemals gewesen waren. Hier und da gab es zwar eine kleine Schramme, aber sicher nicht von Kämpfen oder Turnieren, wie Jaime fachkundig erkannte.
Ein paar Türen führten in andere Räume, ein breiter Gang durchzog das Hauptgebäude, und eine ebenso breite Treppe führte nach oben. Dort sah Don Jaime Porträts an den Wänden hängen, goldgerahmt und hinter Glas, damit sich keinesfalls Staub auf der teils rauhen Oberfläche verfing.
Neugier erfasste den Vampir. Vielleicht gab es ja auch Porträts von seinen Vorfahren.
Also ging er die Treppe hinauf. Im oberen Gang gab es weitere Porträts. Gegenüber waren Fenster, die Tageslicht hereinbringen sollten, das jetzt aber nicht konnten. Eine warme Deckenbeleuchtung erhellte den Korridor stattdessen.
Don Jaime schritt an den Bildern entlang. Freundlich oder finster blickende Figuren waren abgebildet, aber er erkannte niemanden an den kleinen, typischen Merkmalen seiner Sippe, die nur Familienangehörige wahrnehmen konnten. Zamorra würde nichts davon bemerken.
Aber Jaime bemerkte auch nichts.
Möglicherweise hatte irgendwann jemand alle bildlichen Zeugnisse der deZamorra-Sippe beseitigt und durch andere Gemälde ersetzt.
Dabei war sogar dieser Halunke Leonardo vertreten!
Jaime spie aus. Wer den Teppich später reinigen sollte, interessierte ihn nicht. War ja nicht sein Wohnsitz.
Als er die Galerie abgeschritten hatte, stand er vor einer weiteren Treppe, die aber schmaler war. Von einem Rondell bog der Korridor nach rechts ab. Das hier, vermutete Jaime, war der Nordturm.
Er ahnte nicht, wie nahe er Zamorras Büro war und dass er an »Zauberzimmer« und Bibliothek vorbei war.
»Niemand zu Hause?«, fragte er laut. »He, Besuch ist hier! Wo bleibt die französische Gastfreundschaft?«
Statt dieser erschien ein schottischer Butler.
Woher er so schnell und lautlos gekommen war, hatte Don Jaime gar nicht bemerkt. Als er sich umwandte, stand der Butler jetzt unmittelbar vor ihm. Steif, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er verzog nicht einmal das Gesicht, als er fragte: »Was ist Ihr Begehr, Monsieur, und darf ich mich nach Ihrem Namen erkundigen?«
Don Jaime stellte sich vor. »Und wer sind Sie, mein Bester?«
»Ich bin William.«
»Schön, William. Ich möchte ein paar nette Worte mit Professor Zamorra wechseln.«
»Haben Sie einen Termin? Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es bereits Abend ist. Um diese Zeit pflegt der Professor keine Besucher mehr zu empfangen.«
»Mich schon. Außerdem ist er doch meistens nachts aktiv. Wann sonst sollte er die Dämonen jagen, die nur nachts aus ihren Löchern gekrochen kommen?«
William sah ihn schweigend an.
»Sie haben keinen Termin«, stellte er schließlich fest. »Denn sonst wäre der Professor jetzt nicht außer Haus. Don Jaime deZamorra… der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Wenn Sie erlauben, stelle ich fest, dass Sie ein Vampir sind.«
»Bingo«, sagte Jaime.
»Wie sind Sie ins Château gekommen? Kreaturen Ihrer Art ist der Zugang doch verwehrt!«
»Mir eben nicht«, sagte Jaime mit einem Grinsen. »Ich bin eben eine ganz besondere Art Vampir. Einer von der freundlichen Sorte. Können Sie dafür sorgen, dass der Professor hierher kommt? Und das möglichst noch in diesem Jahrhundert. Es ist wichtig, und die Zeit drängt.«
»Einen Moment bitte«, sagte William und schritt an Jaime vorbei zu einer Tür im Turm. Als er hindurchschlüpfte, glaubte Jaime kurz einen großen Schreibtisch mit Computermonitoren zu sehen. Aha, das musste also Zamorras Büro sein. Schön, das zu wissen. Es konnte ihm vielleicht einmal nützlich sein.
Es dauerte nicht einmal eine Minute, dann kam der Butler wieder zurück.
»Sie entschuldigen sicher mein rabiates Vorgehen«, sagte er und schoss.
Es knackte.
Ein bläulicher Blitz zuckte aus dem Projektionsdom der
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