0825 - Böse kleine Elena
diese Tat eine symbolische Bedeutung, denn ich konnte mir vorstellen, dass sich dieser Kerl nicht gerade kooperativ zeigen würde.
»In drei Sekunden seid ihr weg!«
Das war deutlich, aber wir dachten natürlich nicht daran, uns an dieses Ultimatum zu halten. So einfach wie eine Fliege waren wir nicht aus dem Weg zu räumen.
Drei Sekunden können lang werden. Joschi starrte uns an, als wollte er uns hypnotisieren. Dabei spielte er mit seinen Fingern. Er zog sie in die Länge und lauschte beinahe schon verzückt den dabei entstehenden knackenden Geräuschen.
Das Ultimatum verstrich, ohne dass wir uns um einen Schritt zurückbewegt hätten.
»Ihr seid ja immer noch da!« sagte Joschi gefährlich leise und strich dabei über seinen Bauch. Er bewegte die Augen, um an uns vorbeizuschauen.
»Wie Sie sehen«, stellte Harry klar. »Und es bleibt auch bei meinem Vorschlag.«
Joschis Blick fing sich. Er blieb auf uns ruhen. Dann nickte er und stand auf. Wir staunten beide, denn er wurde kaum größer. Dieser Mann war so etwas wie ein Sitzriese. Was ihm an Länge fehlte, das war in die Breite seiner Schultern gepackt worden. Auf seinem Brustkorb fanden gleich mehrere Maßkrüge Platz.
»Kommt mit!«
»Wohin?«
»Mitkommen!«
Er hatte im Befehlston zu uns gesprochen, als wollte er zeigen, wer hier der Chef war. Ohne uns einen Blick zuzuwerfen, ging er an uns vorbei. Als er die Tür erreicht hatte, legte Harry eine Hand auf seine Schulter. »Einen Moment mal. Wir verstehen Ihre Handlungsweise nicht. Erst wollen Sie uns rausschmeißen und jetzt mitnehmen? Was ist in Sie gefahren?«
»Wir sprechen in der Halle weiter.« Danach riss er heftig die Tür auf und ging mit langen Schritten dem Lärm entgegen und auch dem Blutgeruch, den ich als viel schlimmer empfand als bei meinem ersten Eintreten hier.
Ein Blick auf Harry zeigte mir, dass er sich ebenfalls nicht wohlfühlte. Dieses Schlachthaus kam uns beiden vor wie eine gigantische Menschenfalle.
Joschi hatte damit nichts am Hut. Er führte uns dorthin, wo es am schlimmsten war und die mächtigen Tierleiber kopfunter an quietschenden Transportbändern hingen, gerade enthäutet, dampfend und einen Geruch verbreitend, der mir den Magen immer höher steigen ließ. Hier arbeiteten Männer, die abgestumpft sein mussten. Sie trugen riesige Schürzen aus irgendeinem Gummi oder Plastik. Über die Köpfe hatten sie Tücher gebunden, oder sie hatten Mützen aufgesetzt. Dennoch waren sie auch dort von dem spritzenden Blut getroffen worden, denn nicht alles war beim Enthäuten in die dafür vorgesehenen Rinnen gelaufen. Von Umweltschutz hatte man hier noch nicht viel gehört, die veterinärmedizinische Untersuchung wurde hier sicherlich auch nur lasch gehandelt, und ich war froh, dieses Fleisch nicht essen zu müssen. Aber wer wusste schon genau, welches Fleisch er auf seinen Teller bekam und woher es stammte. Was da in letzter Zeit über die Grenzen geschafft worden war, spottete jeder Beschreibung.
Die Schlächter sahen uns.
Sie hielten in ihrer Arbeit nicht inne, aber sie schauten uns an, sie gingen langsamer vor, und sie gestatteten uns Blicke auf die gewaltigen machetenartigen Messer, die, wenn sie es wollten, uns mit einem Schlag den Kopf vom Hals trennen konnten.
Ich dachte an den Kopf in meiner Aktentasche. Irgendwie passte das ins Bild.
Der Boden war gefliest, nass und entsprechend rutschig. Auf ihm vermischten sich Blut und Spritzwasser. Es gurgelte Kanälen entgegen, die es auffingen.
Die Arbeiter hier waren Routiniers. Mit wenigen Schlägen zerteilten sie die dampfenden, von der Haut befreiten und stinkenden Tierkörper. Dass sie ohne Masken und Mundschutz arbeiteten, konnte ich nicht begreifen, denn diese Luft tagtäglich einzuatmen war nicht eben das Wahre.
Joschi ging noch immer vor uns. Diesmal mit bewusst langsamen Schritten, als wollte er uns die Macht seines Reiches demonstrieren. Am Rollband unter der Decke klirrten die leeren Haken gegeneinander. Nicht alle waren behangen, aber immer wieder schaukelten aus einem anderen Raum die frisch enthäuteten Tiere heran.
Kaltes Licht strahlte aus langen Lampen von der Decke. Es gab keinen Schatten. Jeder Blutstropfen war genau zu sehen in dieser makabren Horrorvision.
Joschi drehte sich um. Sehr schnell, sehr plötzlich und aus seiner letzten Bewegung hervor.
Er grinste uns an.
»Was ist denn?« fragte Harry.
»Ich hole jetzt meine Freunde.«
»Und dann?«
Joschi grinste breit, als er seinen Arm anhob und
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