0826 - Der knöcherne Hexer
dünnen, moosigen Schicht überzogen worden.
Denken konnte Swenja nicht. Sie stand einfach nur da, leuchtete die Gestalt an und hatte immer mehr das Gefühl, in Todesgefahr zu schweben. Die unheimliche Gestalt tat ihr nichts, aber sie hatte sich bewegt, denn Swenja erinnerte sich an die Geräusche.
Die Hand mit der Lampe sank langsam tiefer. Der Kegel erfasste den tiefschwarzen Umhang und näherte sich allmählich dem Erdboden, wo sich die skelettierten Füße deutlich von der dunkleren Fläche abzeichneten.
Swenja fröstelte.
Plötzlich wusste sie, wer den Hund auf so grausame Art und Weise getötet hatte. Und wer Tiere umbrachte, der machte bestimmt nicht vor den Menschen halt.
Sie musste etwas tun, sie konnte nicht weiter vorgehen. Sie musste zurück.
Die Frau nahm kaum bewusst wahr, dass sie ihre Beine bewegte.
Sie ging rückwärts, sie hoffte, nicht über ein Hindernis zu stolpern.
Noch größere Furcht hatte sie davor, dem Skelett den Rücken zuzudrehen.
Der Knochenmann bewegte sich nicht. Der Lichtkegel huschte noch einmal über seine Gestalt hinweg, verlor sich schließlich in der Dunkelheit, und Swenja schaffte es endlich, sich umzudrehen und normal auf ihren Wagen zuzulaufen.
Keuchend erreichte sie das Ziel. Sie rutschte kurz zuvor aus und prallte gegen die Tür. Die Lampe fiel ihr aus der Hand. Swenja bückte sich, hob sie auf, leuchtete zurück, schwenkte sie auch, aber der tanzende Strahl erfasste den Verfolger nicht.
Wie sie in den Wagen gekommen war, wusste sie nicht mehr. Sie stolperte nur auf das schmale Bett zu, ließ sich bäuchlings darauf fallen und vergrub den Kopf in ihrem Kissen. Sie blieb so liegen, zitternd, noch immer mit dieser kalten und zugleich heißen Angst gefüllt. Sie konnte sich gut vorstellen, dass der Knochenmann bei ihrem Wagen auftauchte, um sie zu holen.
Das passierte nicht.
Swenja überwand allmählich ihren Schock, richtete sich auf und stellte fest, dass sie noch immer die dicke Jacke trug.
Sie war hier drinnen viel zu warm, deshalb hängte sie das Kleidungsstück an seinen Platz zurück.
Der andere Tag war schon angebrochen, aber die Nacht noch längst nicht beendet. Sie wäre jetzt gefahren, wenn sie gekonnt hätte. Eine Flucht zu Fuß traute sich Swenja nicht zu, also blieb ihr nichts anderes übrig, als zu bleiben.
Sie sehnte die Helligkeit herbei, sie wollte wach bleiben, bis das Grau der Morgendämmerung heraufzog, doch das schaffte sie nicht.
Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Halb liegend und halb sitzend schlief sie ein, nicht mehrvon schrecklichen Träumen verfolgt, dafür aber von der Wirklichkeit aufgeschreckt, als sie dumpfe Schläge hörte, die von außen die Wand des Wohnmobils erschütterten.
Hellwach wurde sie nicht. In einem halb wachen Zustand lauschte sie den Geräuschen, die irgendwann aufhörten. Sie fühlte sich wie benebelt und warf auch keinen Blick mehr durch die Frontscheibe des Fahrerhauses. Dann nämlich hätte sie die Gestalt mit dem Totenschädel gesehen, die den Wagen umschlich…
***
Der andere Morgen.
Ich hatte sehr gut gefrühstückt, auch relativ gut geschlafen, die Rechnung bezahlt und mich schon ziemlich früh wieder auf die Reise begeben, denn Coverack wartete.
Das Gefühl, von einer anderen Macht verfolgt zu werden, stellte sich bei mir nicht mehr ein. Ich beschäftigte mich auch gedanklich nicht mehr mit diesem Phänomen, ich hatte es zur Kenntnis genommen und irgendwie abgehakt.
Dann schluckte mich die Einsamkeit des Landes Cornwall. Eine Landschaft zum Entspannen, zum Träumen, mit unendlich weiten Flächen, mit Wäldern und Mooren, Seen und Bergen, wenigen Orten, kleinen Flüssen, zahlreichen Bächen und verwunschen wirkenden, alten Schlossruinen, die Jahrhunderte überdauert hatten.
In diesem Land wurden Märchen wahr, wenn jemand genügend Fantasie hatte und sich den Reigen der Könige, Prinzen und schönen Frauen vorstellen konnte.
Es war nicht dicht besiedelt. Die Städte und Orte waren nicht sehr groß.
Sie sahen so aus, als hätten sie sich der Landschaft angepasst.
Der Ort Coverack lag wirklich am A… der Welt. Genau dort, wo Cornwall endete und sich als Halbinsel in die raue See hineinschob.
Sie sah aus wie ein breiter Knochen, der dem rauen Meer trotzte.
Eine mächtige Steilküste baute sich auf, und der Suchende fand an zahlreichen Stellen die Ruinen mächtiger Burgen, die das Land und das Meer bewacht hatten.
Die Küste konnte Geschichten erzählen. Hier hatte die See die Schiffe mit
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