Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
Vom Netzwerk:
fügten.
    Kommt zu mir, meine Kinder. Die Zeit eures einsamen Nomadentums ist vorbei. Ich gebe euch ein neues Ziel.
    Befriedigt registrierte der Weiße Zauberer, wie sich die Geister der Savanne um ihn versammelten. Er lauschte ihrem Wispern, als sie ihn umschwirrten und auf seine Befehle warteten. Und er hörte etwas, was er nicht erwartet hatte. Kinjikitile! Der Maji-Maji-Prophet war längst tot. Aber die Geister wussten, wohin es seine Familie in den Wirren des Krieges verschlagen hatte. Die Verbindung war in all den Jahrzehnten nie abgerissen.
    Der Weiße Zauberer triumphierte. Zamorra mochte stark sein. Doch er selbst besaß jetzt eine Armee - und er hatte ein Ziel.
    Tebika…
    ***
    Dr. Philipp Gwassa machte sich nichts vor. Der hagere Mittfünfziger wusste, dass er nicht gerade eine Zierde seines Berufs war. Persönliche Verluste, beruflicher Stillstand und die allgegenwärtige Armut hatten ihn vor der Zeit alt und müde gemacht. Inzwischen war er kaum noch arbeitsfähig, wenn der Schnaps nicht seine beruhigende Wirkung in seinen Blutgefäßen entfaltete.
    Gwassa wusste, dass er ein Säufer war, und ihm entgingen auch nicht die mitleidigen bis spöttischen Blicke, mit denen ihn die jungen Krankenschwestern bedachten, wenn er schon um 11 Uhr morgens mit einer Fahne zur Arbeit kam.
    Er ignorierte sie und machte seine Arbeit, so gut er konnte. Auch wenn er seit Jahren dem Alkohol verfallen war, hatte sich der Mediziner einen Rest seiner Selbstachtung bewahrt. Und diese Selbstachtung trieb ihn jetzt ins Büro von Chief Mbeya, obwohl er wusste, dass der Polizeichef ihn auslachen oder sogar mit Fußtritten verjagen würde.
    Aber er musste es wenigstens versuchen, denn der junge Gelehrte und die beiden Franzosen waren unschuldig. Gwassa wusste das, und er ahnte, dass Mbeya es auch wusste.
    Alter Sturbock, dachte Gwassa empört. Du würdest lieber deine eigene Großmutter hinter Gitter bringen als zuzugeben, dass du einen Fehler gemacht hast.
    Und der Chief hatte eindeutig einen Fehler gemacht. Als Dr. Gwassa die Leichen geöffnet hatte, hatte er den Schock seines Lebens bekommen. Ihm war ein Schwall Wasser entgegengeschossen, vom Blut braunrot verfärbt, aber eindeutig Wasser. Von den inneren Organen war nichts mehr übrig geblieben. Sie waren verschwunden. Einfach so. Aber ein einfach so gab es in der Medizin nicht. Und Organe, die sich in Wasser verwandelten, schon gar nicht. Das klang mehr wie eine der Geschichten, die sich die Alten aus der Kolonialzeit erzählten.
    Wasser-Magie. Maji-Maji.
    Und doch war es real. Der panische Aufschrei seiner Assistentin war Beweis genug, dass das hier keine Hirngespinste waren, die das Gehirn eines alten Säufers im Endstadium ausbrütete. Dr. Gwassa hatte die ganze Nacht an seinem Bericht gearbeitet und anschließend eine weitere Flasche Wodka getrunken, um sich Mut zu machen. Doch auch der Alkohol half ihm nicht, sein Zittern zu unterdrücken, als er die ausgetretenen Treppen des Polizeipräsidiums hinaufstieg.
    Als Gwassa die Tür aufstieß, spürte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Ein schwerer, süßlicher Geruch hing in der Luft, den er nur zu gut kannte. Der Geruch von Tod und Verwesung. Der Arzt unterdrückte seinen Fluchtimpuls und betrat vorsichtig den Raum. Auf den ersten Blick war nichts Verdächtiges zu entdecken - außer, dass das Büro völlig leer war.
    Keiner der Schreibtische war besetzt. Selbst der bullige Paul, an dem jeder vorbei musste, der zum Chief wollte, war nirgendwo zu sehen. Gwassa lehnte sich an die Wand und nestelte nervös seinen Flachmann aus der Jacketttasche. Mit zittrigen Fingern schrau bte er den Verschluss auf und stürzte die Hälfte des Inhalts hinunter. Der billige Fusel rann wie brennendes Öls durch seine raue Kehle. Gwassa atmete tief durch, steckte die Flasche wieder ein und ging vorsichtig weiter.
    »Hallo«, rief er, erst zaghaft, dann noch einmal etwas lauter: »Hallo, Chief Mbeya, sind Sie hier irgendwo? Ist hier irgend jemand?«
    Die Stille schmerzte fast in seinen Ohren. Langsam durchquerte Gwassa das Büro. Vor der Tür des Chiefs hielt er an. Vorsichtig klopfte er gegen das Holz, zweimal, dreimal. »Chief, sind Sie da drin?«
    Da niemand antwortete, drückte er vorsichtig die Klinke runter. Die Tür ging knarrend auf, und der Mediziner wusste, warum niemand geantwortet hatte. Ferdy Mbeya lag mit unnatürlich verdrehten Gliedern über seinem protzigen Schreibtisch. Er schien Gwassa vorwurfsvoll anzustarren. Eine rötliche

Weitere Kostenlose Bücher