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0827 - Der Dämon von Songea

0827 - Der Dämon von Songea

Titel: 0827 - Der Dämon von Songea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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zeig ich es Ihnen«, sagte Gwassa.
    Der Arzt kniete sich hinter Machuya auf den Boden, schlang seine Arme um den Oberkörper und zog den Toten in eine sitzende Position. Dann legte er die Arme wie einen Bauchgurt über den Magen und drückte zu. Es gab ein glucksendes Geräusch, dann schoss ein Schwall Wasser aus Machuyas Mund und ergoss sich über die Brust des Toten.
    »Verdammte Scheiße, das glaube ich einfach nicht!«, fluchte Mbeya. »Was, in Gottes Namen, heißt das?«
    »Das heißt, dass diese Menschen ertrunken sind, Chief. Kilometer vom nächsten See oder Fluss entfernt, auf vertrocknetem Land sind diese Menschen einfach ertrunken.«
    »Na wunderbar«, murmelte Mbeya.
    ***
    1900
    Das erste, was Ferdinand von Hardenberg von Afrika sah, war sein eigenes Erbrochenes auf dem Kai. Die unruhige Überfahrt und der Klimawechsel forderten ihren Tribut. Nur mit Mühe konnte sich der frisch gebackene Leutnant der Kaiserlichen Schutztruppe Deutsch-Ostafrika davon abhalten, sich gleich ein zweites Mal zu übergeben.
    »Seht euch den Frischling an!«, höhnte einer der Seeleute, die ihre Arbeit am Pier für einen Moment unterbrochen hatten, um den Empfang der frisch eingetroffenen Soldaten im Hafen von Dar es Salaam zu beobachten. Der Spötter war ein großer, ruppig aussehender Kerl mit einem gewaltigen roten Bart. »Kaum hier, und schon ist ihm übel. Dabei liegt das Schlimmste noch vor ihm.«
    Schallend fiel der Rotbart in das polternde Gelächter der anderen Matrosen ein. Ferdinand von Hardenberg wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. Mit Tränen in den Augen wischte er sich mit einem Taschentuch den verschmierten Mund ab und versuchte, möglichst würdevoll wieder auf die Beine zu kommen. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding, aber nach ein paar Schritten gewann er seine Sicherheit zurück.
    »Alles klar, Hardenberg?«, fragte jemand hinter ihm besorgt.
    Es war Peter Meißner, ein junger Aufschneider, der die Schiffsreise von Hamburg nach Dar es Salaam glänzend überstanden hatte. Hardenberg verachtete ihn und seine freundliche zuvorkommende Art, hinter der er doch nur Herablassung vermutete.
    »Kümmere dich um deinen eigenen Dreck, Meißner! Mir geht’s bestens«, erwiderte er ruppig.
    Deutsch-Ostafrika - was für eine prächtige Zukunft hatte er mit diesem Namen verbunden. Doch schon als er auf der Überfahrt neugierig die Matrosen ausgefragt hatte, war ihm klar geworden, dass die Kolonie keineswegs das exotische Paradies voller Reichtümer und williger Frauen war, das er sich ausgemalt hatte.
    Ich hätte nie hierher kommen dürfen, dachte der junge Adelige bitter. Doch hatte er überhaupt eine Wahl gehabt? Nach einer Reihe höchst zweifelhafter Affären hatte ihn seine eigene Familie gedrängt, für eine Weile außer Landes zu gehen. Ein paar Jahre als Offizier der Kaiserlichen Schutztruppe schienen da genau das Richtige zu sein. Und auch Hardenberg selbst hatte das Abenteuer gelockt. Schließlich waren die Illustrierten voll mit den aufregendsten Geschichten aus den deutschen Kolonien.
    Doch jetzt war er hier und fühlte sich wie ein Häufchen Elend.
    Ein lautes »Stillgestanden!« riss Hardenberg aus seinen Grübeleien. Ihr Empfangskomitee wurde angeführt von einem hageren, drahtig wirkenden Hauptmann namens Ruppin. Der Offizier musterte die unsicheren Neuankömmlinge mit unverhohlener Verachtung, bevor er sie im Namen des Gouverneurs in Deutsch-Ostafrika willkommen hieß.
    »Meine Herren, ich weiß nicht, warum Sie nach Afrika gekommen sind«, begann Ruppin seine Willkommensrede. »Jeder von Ihnen wird seine Gründe haben. Gute Gründe, schlechte Gründe, sie interessieren mich nicht. Denn machen Sie sich eins von Anfang an klar, Afrika ist nicht das, was Ihnen Ihre billigen Abenteuerromane erzählt haben, die Sie zu Hause unter der Bettdecke verschlungen haben. Dies hier ist die Hölle auf Erden, und wenn Sie nicht aufpassen, kann jeder Schritt Ihr letzter sein.«
    Ferdinand von Hardenberg achtete kaum auf die Worte des Hauptmanns. Fasziniert betrachtete er die Uniformierten, die den Offizier begleiteten. Es waren Askari. Hardenberg hatte in seinem ganzen Leben noch nie einen farbigen Menschen gesehen, außer in illustrierten Büchern, wo sie zu wüsten Karikaturen verzerrt waren. Doch hier standen sie nur wenige Meter von ihm entfernt, hoch gewachsene, muskulöse Männer mit einer Haut schwarz wie Kaffee.
    In Deutsch-Ostafrika stellten die Askari einen großen Teil der regulären Truppen. Sie

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