0827 - Der Rosenfluch
mich ein. »Sie brauchen keine Sorgen zu haben, es wird nichts passieren, aber wenn Sie wollen, dann können Sie sich gern neben das Bett setzen.«
»Das wäre mir lieb – danke.«
»Mummy, wer ist denn dieser Mann?« Die helle Stimme erinnerte mich wieder an das Kind. Ich umrundete den Professor und Bea Quentin, um auf das Bett zuzugehen.
Ich hatte mich innerlich auf den Anblick vorbereitet. Dass er mich trotzdem so tief treffen würde, hätte ich nicht gedacht. Vor die große Fensterscheibe an der Seite des Bettes war ein Rollo gezogen worden, sodass nicht zu viel helles Licht ins Zimmer strahlte. Der Rest reichte aus, um praktisch jede Einzelheit im Gesicht des Kindes erkennen zu können.
Es war schrecklich.
Ich musste an mich halten, um nicht aufzustöhnen, und presste sicherheitshalber die Lippen zusammen.
Die Conollys hatten nicht übertrieben. Iris Quentin hatte das Gesicht einer Greisin. Ich schaffte es nicht einmal, es genau zu beschreiben, jedenfalls war es furchtbar, und eigentlich sah Iris so aus, als würde sie eine Halbmaske tragen, denn die Rückseite des Kopfes und auch ihr Haar waren nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Sie lag einfach nur da, hatte den Kopf auf die rechte Seite gedreht und schaute mich aus ihren normalen Kinderaugen an, denn auch die waren nicht gealtert.
Dass ich ein Lächeln schaffte, dazu gratulierte ich mir selbst. Nur am Rande bemerkte ich, dass der Professor das Zimmer verließ. Ich lächelte dem Mädchen auch weiterhin zu, als ich ihm meine Hand entgegenstreckte, die sie nahm.
»Du bist ein Freund meiner Mutter und der Conollys?«
»Das bin ich, Iris.«
»Ich habe dich nie bei uns gesehen.«
»Leider war ich oft verreist. Ich heiße übrigens John Sinclair. Aber du sagst natürlich John zu mir.«
»Klar, mache ich.«
Es war toll, dass sich Iris ganz natürlich benahm, nicht weinte, nicht jammerte oder schrie, aber ich glaubte nicht, dass sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden hatte, wie sie mir gleich darauf zu verstehen gab. »Du sollst mir wieder mein richtiges Gesicht zurückgeben, wie?«
»Ich werde es versuchen.«
Sie setzte sich plötzlich hin und begann zu weinen. »Wie – wie willst du das denn tun?«
»Darüber muss ich mit dir reden.«
»Soll ich dir helfen?«
»Allein schaffe ich das nicht.«
Sie drehte den Kopf, um die Mutter anzuschauen. Ihre Augen leuchteten dabei. »Ist das nicht toll, Mum, ich soll ihm helfen! Das finde ich super.«
Bea Quentin nickte und lächelte zugleich aufmunternd ihrer Tochter zu.
Das geschah unter Tränen, es war an ihrem Schlucken zu sehen. Iris sollte nichts von ihren Sorgen bemerken.
Dann blickte sie mich an und trat auf mich zu. Ich sah das Vertrauen in ihren Augen, und sie fasste mit ihren Händen nach den meinen. »Wissen Sie, Mr. Sinclair, die beiden Conollys haben mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich einfach nicht anders kann, als Ihnen voll und ganz – na ja, Sie wissen schon.«
»Das geht in Ordnung«, sagte ich, und meine Stimme krächzte dabei. Ich musste mich zusammenreißen und mich auf das konzentrieren, was vor mir lag. Der letzte Abend war vergessen, die anderen Realitäten hatten mich wieder eingeholt.
Mrs. Quentin war wieder zurückgetreten, sodass ich mich ihrer Tochter zuwenden konnte. »Bist du okay?«
Das alte Gesicht schaute mich an. Die graue, faltige Haut, die an manchen Stellen aussah wie schimmliger Pudding, geriet ins Wackeln, als sie nickte. »Ja, du kannst einen Versuch starten, John.« Jetzt sprach sie altklug.
»Ich finde es toll.« Ihre kindlichen Augen strahlten mich an. »Das ist besser, als an die Apparate angeschlossen zu werden. Glaubst du mir das?«
»Klar doch.«
»Du bist kein Doktor, nicht?«
»Überhaupt nicht.«
»Ich mag nämlich keine, die einen weißen Kittel tragen. Davor fürchte ich mich immer.« Sie zog ihre Nase hoch, und die beiden Flügel bewegten sich zitternd.
Ich hatte mir vorgenommen, die Fragen möglichst locker zu stellen.
»Kannst du dich denn noch an vieles erinnern, Iris?«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe erfahren, dass du mit deinen Eltern in Urlaub gewesen bist. In Österreich.«
»Nein, in der Wachau.«
»Auch klar, das gehört dazu.«
»Ach so.« Sie war etwas verlegen und strich mit ihren normalen Kinderhänden über die Decke. »Manchmal ist man richtig doof, nicht?«
»Das würde ich nicht sagen. Aber wir wollen vom Urlaub sprechen. Okay?«
»Gern.«
»Erzähl mal.«
»Was denn?«
Ich hob die Schultern. »Zum
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