0829 - Der Alpen-Teufel
aufhielt.
Einen Helfer… einen normalen Mann… jemand, der ihn leitete, der ihn sogar zu den schrecklichen Taten anstiftete.
Dieser Gedanke ließ das Grauen in ihm hochsteigen. Er spürte die Angst auf seinem Rücken kleben - und stieß einen leisen Schrei aus, als ihm jemand auf die Schulter tippte.
Er drehte sich um.
Es war seine Mutter gewesen, die jetzt hinter ihm stand und ihm direkt ins Gesicht schaute.
»Es ist dort zu kalt, Junge. Komm zurück und hol Pappe, die wir vor, das Fenster nageln müssen.«
Langsam drehte sich Rogner um. Seine Händen waren ebenso kalt wie das Gesicht. Er spürte jetzt die Wärme der Kerzenflammen und fragte mit leiser Stimme: »Mehr hast du mir nicht zu sagen, Mutter?«
»Nein, wieso?«
Er holte tief Luft. »Aber da ist jemand gewesen, Mutter? Verstehst du?«
»Wieso?«
»Hast du den Pfiff nicht gehört?«
»Nein!«
Rogner faßte seine Mutter an und drückte sie bis zur Couch zurück, auf die sie sich setzten sollte. Er blieb stehen und sprach von oben herab in ihr Gesicht. »Es war jemand da, der gepfiffen hat. Wäre er nicht dort gewesen, dann hätte dieses Wesen bei uns einsteigen und uns auch töten können.«
»Ach ja…«
»Der Pfiff, Mutter! Du mußt es begreifen. Dieser Alpen-Teufel hat noch jemand hinter sich, einen, der ihn leitet, der das Grauen vorantreibt. Hier im Dorf läuft etwas ab, das keiner von uns begreift. Nicht nur, daß Paul nicht tot ist, er arbeitet auch für jemand. Da lauert einer im Hintergrund, der von dem Schrecken und den verfluchten Morden profitiert. Ich… ich kann es ebenfalls nicht fassen, aber wir müssen uns damit abfinden. Diese Nacht hat uns viel gebracht, Mutter.«
»So…?«
»Ja, und ich glaube, daß wir oder daß ich der einzige bin, der jetzt einigermaßen Bescheid weiß.«
Maria Rogner schüttelte den Kopf. »Nein, Bertl, nein, du hast unrecht. Man hat uns geholfen, der Allmächtige hat uns nicht im Stich gelassen. Er wollte nicht, daß wir schon jetzt sterben. Es war das Schicksal, das uns heute die Hand gereicht hat. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Aber hast du denn nicht den Pfiff gehört?«
»Es war der Ruf aus dem Himmel.«
Bert Rogner schüttelte den Kopf und drehte sich von der alten Frau weg. Er wußte, daß er mit seiner Mutter nicht reden konnte, das war einfach unmöglich. Deshalb würde er die Dinge allein in die Hand nehmen müssen, und er durfte sich nicht verrückt machen lassen. Er mußte alles so nehmen, wie es kam.
Er schaute auf die Uhr.
Der neue Tag war längst angebrochen, aber die dunklen Stunden würden noch anhalten, denn der Winter war so schrecklich lichtlos.
Das Fenster mußte vernagelt werden, da hatte seine Mutter schon recht. Im Stall lag Pappe, da fand er auch Nägel und einen Hammer. Er ging hin und holte die Dinge.
Als er wieder in den Wohnraum zurückkehrte, saß seine Mutter noch immer an derselben Stelle. Sie hielt die Hände zum Gebet gefaltet, hatte die Augen geschlossen und den Kopf leicht schief gelegt.
Auf ihren Lippen war ein seliges Lächeln zu sehen. Sie befand sich in einer anderen Welt mit ihren Gedanken. Sollte sie die Rettung doch als Wunder ansehen, er wußte es besser, und er hatte das bestimmte Gefühl, daß es den Alpen-Teufel bald nicht mehr geben würde…
***
Ein Morgen wie Blei!
Selbst die Sonne ließ sich nicht blicken. Sie versteckte sich hinter grauen, dicken Schleierwolken und war nicht einmal als blasser Fleck zu erkennen.
Suko und ich saßen im Frühstücksraum des Hotels an einem strategisch günstig stehenden Ecktisch.
Über uns bildete die alte Decke den Himmel, gehalten von dicken, dunklen Balken. Wir sprachen beide wenig. Ich starrte in den Kaffee, Suko in seinen Tee.
Zumindest ich hatte schlecht geschlafen. Suko hatte ich noch nicht danach gefragt. Meine wirren Träume hatten sich um viel Blut und um die Bestien gedreht, die in Massen aufgetreten waren, um mich zu überfallen. Es waren immer Geschöpfe gewesen, die ich nicht einstufen konnte. Weder als Werwölfe noch als Menschen, aber sie hatten keine Gnade mit mir gekannt, und des öfteren war ich schwer atmend und schweißnaß aufgewacht.
Im Frühstücksraum selbst herrschte viel Betrieb. Es waren nicht nur die Hotelgäste, die hier aßen, die meisten kamen von außerhalb. Reporter, die in den Ferienwohnungen lebten und nur ins Hotel kamen, um das Frühstück einzunehmen.
Natürlich wurden wir beobachtet. Wir waren schließlich zwei fremde Gesichter. Man tuschelte über uns, denn
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