083 - Das Gasthaus an der Themse
Rechnung. Wade stand auf, klopfte sich den Staub von der Hose und schlüpfte aus dem Zimmer. Als die große Limousine vorfuhr und Lila mit ihrem seltsamen Begleiter aus dem Haus trat, saß der Inspektor schon in einem Taxi. »Mr. Brown« schob dem Portier einen größeren Geldschein in die Hand, und dann fuhr der Wagen an.
Wade hatte sich den richtigen Taxifahrer ausgesucht, denn er blieb in den nunmehr verlassenen Straßen der City immer dicht hinter dem größeren Wagen. Sie fuhren durch Aldgate und die Mile End Road hinunter. In der Nähe von Wapping bog die Limousine in eine Seitenstraße ein und hielt. Zum Glück war Wades Taxi ein Stück zurückgeblieben. Wade ließ es an der Einmündung der Seitenstraße vorbeifahren und dann sofort anhalten. Er sprang hinaus, lief zurück und erreichte die Straßenecke gerade rechtzeitig, um Lila in einem Haus verschwinden zu sehen. Die Limousine fuhr sofort weiter, bog um die nächste Ecke, und Wade ging auf das Haus zu. Es war eine einstöckige Villa, die Fenster alle dunkel. Wade wartete eine Weile, dann kam ein Taxi und hielt vor der Haustür. Der Inspektor überquerte die Straße, versteckte sich in einer dunklen Einfahrt und beobachtete die Villa weiter. Nach etwa fünf Minuten trat Lila in Begleitung einer Frau auf die Straße. Das Mädchen trug einen schwarzen Regenmantel und darunter, vermutete Wade, die alten, schäbigen Sachen. Die Frau war Mutter Oaks, er erkannte sie schon, bevor er die scharfe Stimme hörte, die dem Taxichauffeur das Fahrtziel nannte.
Wade wartete, bis das Taxi abgefahren war, ging über die Straße zur Villa zurück und durch den Vorgarten zur Haustür. Mit Hilfe seiner kleinen elektrischen Taschenlampe fand er die Klingel. Doch auch beim zweiten Läuten öffnete niemand. Die Tür hatte ein Yale-Schloß. Wade schlich durch den kleinen Vorgarten und versuchte, ein Fenster hochzuschieben, aber es war gesichert.
Ein schmaler Gartenweg führte um das Haus herum. Die kleine Pforte, die er dort entdeckte, ließ sich mit einem Taschenmesser leicht öffnen. Dann kam er an die Küchentür, die von innen abgesperrt und verriegelt war. Mit dem Küchenfenster hatte er mehr Glück, es war nicht ganz abgeschlossen. Als er es öffnete, knarrte es so laut, daß es bestimmt im ganzen Haus zu hören war. Aber als er das Bein über den Fenstersims schwang und in den dunklen Raum einstieg, blieb alles still. Wade lief die teppichbelegte Treppe hinauf und kam in einen Flur mit drei Türen. Die erste führte ins Bad, das erst kürzlich benutzt worden war, denn als er die Tür öffnete, wehte ihm der Duft eines zarten Parfüms entgegen. Feuchte Handtücher hingen über eine Stuhllehne. Der große Spiegel glänzte, und auf dem kleinen Tischchen davor hatte jemand eine Puderquaste aus Waschleder und einen orangefarbenen Lippenstift liegenlassen. Er fand eine halbvolle Tüte mit Badesalz, die Seife war ein sündteures Fabrikat und kaum benutzt. Hier also hatte Aschenputtel sich verwandelt.
Wade ging ins Vorderzimmer. Es war geradezu peinlich sauber, und auf dem Bett ausgebreitet lag das Kleid, das Lila getragen hatte. Davor standen die silbernen Schuhe.
Er entdeckte keine Strümpfe, die hatte sie wahrscheinlich anbehalten.
Sorgfältig durchsuchte er das Zimmer. Die Fenster waren mit dickem Filz abgedichtet, so daß nicht einmal ein Lichtschimmer nach draußen dringen konnte. Elektrischen Strom gab es nicht im Haus, die Lichtquelle war eine große Paraffinlampe, die auf dem Tisch stand. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, zündete Wade sie an, um besser sehen zu können. Nahe beim Bett befand sich ein großer Einbauschrank. Wade versuchte, ihn zu öffnen, aber er hatte ein Patentschloß und war offensichtlich sehr stabil. Ein Tisch, zwei Sessel, einer davon sehr bequem, ein hoher Wandspiegel — das war das gesamte Mobiliar. Langsam und nachdenklich stieg der Inspektor die Treppe wieder hinunter. Dieses Haus gab ihm Rätsel auf. Ließen Brown oder Mutter Oaks oder wer auch immer die Villa das ganze Jahr leerstehen, damit Lila sich hier umziehen konnte? Und wenn das zutraf... Er war eben auf der letzten Stufe angelangt, als er hörte, daß jemand einen Schlüssel in das Schloß der Haustür schob. Rasch lief er in die Küche und versteckte sich. Die Haustür ging auf, ein Mann flüsterte etwas, dann fiel die Tür zu. Schritte kamen näher. Aus einem ihm selbst unerklärlichen Grund fröstelte Wade. Er war zwar nicht nervös, aber was er hier erlebte,
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