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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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fauchte sie plötzlich: »Was willst du?« Wade wandte den Kopf. In einen schmutzigen, alten Kimono gewickelt, stand Lila auf der Schwelle. Ihre elegante Frisur und die manikürten weißen Hände, die das schäbige Kleidungsstück zusammenhielten, fielen in dieser Umgebung besonders auf. Verwirrt sah sie zuerst Wade und dann Mutter Oaks an. »Du — du hast mir doch gesagt, ich soll mir ein Glas Milch holen...« »Verschwinde!« befahl Mutter Oaks. »Glauben Sie, sie hat den Chinesen umgebracht?« wandte sie sich ironisch an Wade. »Sie sieht doch aus wie eine Mörderin, nicht wahr?« Er ignorierte ihren bitteren Spott. »Ich möchte Namen und Adresse von Lilas Vater - des Mannes, mit dem sie heute abend gegessen hat.«
    »Ich kann Ihnen beides nicht geben«, antwortete Mutter Oaks. »Ich kenne weder seinen richtigen Namen noch seine Adresse, das habe ich Ihnen schon gesagt. Ich weiß genausoviel über ihn wie Sie — er ist ein gewisser Mr. Brown. Wo er wohnt, ahne ich nicht einmal. Gewöhnlich telegrafiert er mir, wenn er hier ist.«
    »Und er kennt das Haus in der Langras Road nicht, sagen Sie?« fuhr Wade fort. »Wo holt er Lila ab?«
    Für einen Moment verlor Mutter Oaks die Fassung. »Ein Mietwagen holt sie ab, und ich fahre bis zum St. Paul's Friedhof mit, wenn Sie's unbedingt wissen müssen. Dann steige ich aus, und er steigt ein.«
    »Langsam verwickeln Sie sich aber in Widersprüche, Mrs. Oaks«, sagte Wade. »Er hat Lila doch in der Langras Road abgeliefert.«
    In einem Punkt blieb sie auch nach diesem Schlag hartnäckig: Der geheimnisvolle Mr. Brown hatte die Villa nie betreten.
    Der Inspektor fuhr zu dem nicht minder geheimnisvollen Haus zurück und durchsuchte es gründlich vom Keller bis unters Dach, ohne besondere Vorsicht walten zu lassen, da er seine Anwesenheit ja nicht mehr verbergen mußte. Einen bösen Schock erlebte er allerdings, als er den großen Schrank offen und leer fand. Jemand war nach ihm hiergewesen.
    Lilas Sachen lagen auf dem Boden, offensichtlich hatte man den Platz auf dem Bett für den Schrankinhalt gebraucht. In dem Zimmer, in dem sich der Europäer und die beiden Chinesen aufgehalten hatten, fand Wade eine andere merkwürdige Spur. Es roch feucht, auf dem Boden waren nasse Flecke, und ein Stuhl war ebenfalls noch nicht wieder trocken. Es hatte in Wapping ausdauernd geregnet, und kurz nachdem er den Mord entdeckte, goß es sogar in Strömen. Als man den Toten wegbrachte, waren seine Kleider völlig durchnäßt. Der Europäer hatte einen langen Regenmantel getragen, der Chinese hingegen nur eine Bluse, und trotzdem gab es keinen Hinweis auf seine Anwesenheit. Wie waren die beiden zum Haus gekommen? Waren sie zu Fuß gegangen? Niemand hatte sie gesehen. Nicht einmal der Taxifahrer, den Wade am Ende der Straße zurückgelassen hatte und der noch immer auf ihn wartete, was dem Inspektor aber erst nach der Entdeckung des Mordes eingefallen war. Der Taxameter zeigte eine stolze Summe an, und Wade hatte seufzend bezahlt. In der Bluse des Ermordeten hatte man einen Zettel mit ein paar chinesischen Schriftzeichen gefunden. Als Wade auf die Polizeistation zurückkam, war der kurze Text bereits übersetzt. Der diensthabende Sergeant reichte ihm lächelnd die Übersetzung.
    »Nichts von Bedeutung, Inspektor«, sagte er. »Nur eine kurze Beschreibung, wie man auf kürzestem Weg zu unserem Revier kommt.«
    Wade runzelte nachdenklich die Stirn. »Er war auf dem Weg zu uns und wurde daran gehindert. Was er wohl hier wollte?« »Vielleicht jemanden verpfeifen«, meinte der Sergeant. »Es sieht fast so aus.« Wade ging in sein Büro. Auf dem Schreibtisch lagen die Schmuckstücke, die man in der Bluse des Ermordeten gefunden hatte. Alle waren aus Platin — mit Ausnahme eines goldenen Siegelrings, der einem Mann gehört haben und sehr lange getragen worden sein mußte. Das Wappen war nur noch schwer zu erkennen. Es stellte einen Tempel und eine Gestalt in einem klassischen Gewand dar. Sie war so stark abgewetzt, daß man kaum ihre Umrisse erkannte. In den Ring eingraviert, aber ebenfalls schon fast unsichtbar, waren die Worte: »Von Lil für Harry«. In Inspektor Wades Büro gelangte man nur durch das Zimmer des Diensthabenden und den Vernehmungsraum. Es hatte ein vergittertes Fenster, und eine zweite Tür führte in den Hof. Der Schreibtisch stand vor dem Fenster. Wade und der Sergeant beugten sich gerade darüber und betrachteten die Schmuckfassungen, als der Inspektor plötzlich einen kühlen

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