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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Luftzug spürte. Das Zimmer war immer ein bißchen zugig, aber so schlimm war es noch nie gewesen. Wade schaute sich nach der Ursache um, und was er dabei zu sehen bekam, ließ ihn mit einem Ruck herumfahren.
    »Keine Bewegung!« kam gedämpft eine Stimme hinter einer Gummimaske hervor. »Ein Laut, und ihr landet in der Hölle.«
    Zwei Männer in derben schwarzen Overalls standen im Zimmer - der eine auf der Schwelle, der andere zwischen Tür und Schreibtisch. Leichte Gasmasken verbargen ihre Gesichter, und an den Händen trugen sie enganliegende rote Gummihandschuhe. Zwei großkalibrige Pistolen zielten auf die beiden Polizeibeamten. »Zurück an die Wand«, sagte der Mann auf der Schwelle und kam nun auch näher. Wade und der Sergeant gehorchten. »Und halten Sie schön die Hände hoch!« Der Mann, der vor dem Schreibtisch stand, machte völlig geräuschlos zwei Schritte nach vorn, musterte die Schmuckstücke, nahm etwas an sich und wich dann rückwärtsgehend zur Tür zurück. Inspektor Wade war kein Narr. Er war unbewaffnet, seine Pistole lag in der Schreibtischschublade, und er war überzeugt, daß er mit seinem eigenen Leben auch das des Sergeants opfern würde.
    Die beiden Gestalten bewegten sich geradezu unheimlich lautlos, und Wade sah, daß sie dicke Filzüberschuhe mit Gummisohlen trugen.
    Nach kaum fünf Sekunden hatten sie das Büro wieder verlassen, die Tür hinter sich zugeworfen und abgeschlossen. Wade machte einen Hechtsprung zum Schreibtisch, riß die Pistole aus der Schublade und stürmte in den Vernehmungsraum, wobei er fast den Polizisten umrannte, der an der Tür auf Posten stand. Wade sah zwei Gestalten vor sich herlaufen, entdeckte den langsam fahrenden Wagen aber erst, als die beiden Männer hineinsprangen. Sofort gab der unsichtbare Fahrer Gas, und das Auto raste die menschenleere Straße hinunter. Nun hatte er natürlich keine Chance mehr. Er sprintete zum Revier zurück, wo der Sergeant schon alle vorhandenen Reserven mobilisiert hatte. »Die erwischen wir nicht mehr«, sagte John kurz. »Verständigt alle Polizeistationen.« In sein Büro zurückgekehrt, sah er sofort, daß die Verbrecher den goldenen Siegelring mitgenommen hatten. Jetzt glaubte er, das Motiv für die Ermordung des Chinesen zu kennen. Er hatte seine Komplizen verraten wollen und zum Beweis dafür, daß er die Wahrheit sagte, die Fassungen mitgenommen. Da er stumm gewesen war und sich nicht verständlich machen konnte, hatte er den Ring entweder mitgebracht, weil er ein Hinweis auf die Identität eines Bandenmitglieds war, oder er hatte ihn aus Rache gestohlen. Letzteres schien am wahrscheinlichsten. Die Gummimänner hätten nicht das Risiko auf sich genommen, den Ring zurückzuholen, wenn er nicht eine ganz besondere Bedeutung gehabt hätte. Was später als »Zwischenfall vom Haymarket« in die Polizeiakten Eingang fand, ereignete sich am selben Abend gegen zehn Uhr.
    Um diese Stunde verwandelt sich das West End mehr oder weniger in eine menschenleere Geisterstadt. Die Theater sind ausverkauft, die wartenden Wagen parken in langen Reihen in dunklen Seitenstraßen, und auf dem Piccadilly Circus herrscht kaum Verkehr, so daß er auch nicht geregelt werden muß. Später, wenn die Theater sich leeren, kommt es gewöhnlich für kurze Zeit zu einem Chaos, um zehn Uhr jedoch sind die Straßen ein Paradies für den ängstlichen Autofahrer. Zwei Männer schlenderten über den Haymarket und bogen zum St. James's Square ein. Sie unterhielten sich lebhaft und schienen die Frau nicht zu sehen, die an der Ecke stand. Ein Polizist, der in dieselbe Richtung ging wie die Männer und dicht hinter ihnen war, sah, wie die Frau plötzlich auf einen der beiden Passanten losstürzte und ihn am Mantel packte. Es entwickelte sich eine kleine Balgerei. Der Polizist hörte die Frau mit schriller Stimme etwas schreien, stürmte vorwärts und zog sie weg. »Ich kenne dich!« schrie sie.
    Inzwischen liefen zwei weitere Polizisten auf die vier Leute zu, um die sich - wie das in London so oft der Fall ist - im Handumdrehen eine kleine Menschenmenge versammelt hatte, obwohl doch die Straßen wie ausgestorben wirkten. »Ich kenne diese Frau nicht«, sagte der größere der beiden Männer. »Sie hat sich einfach auf mich gestürzt. Lassen Sie sie gehen, ich denke, sie ist betrunken.«
    »Ich bin nüchtern! Du weißt genau, daß ich nüchtern bin, Starcy! Ja, Starcy — so heißt er nämlich!« Sie wehrte sich wie eine Wildkatze gegen die Polizisten, die

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