083 - Das Gasthaus an der Themse
ein Graveur eine solche Stange wohl brauchen mochte. Zwei Arbeitstische verbargen das Ende der Stange, doch als Wade nach hinten ging, um sich die Sache näher anzusehen, entdeckte er des Rätsels Lösung. Direkt unter der Stange war ein großes, gezacktes Stück Zement aus dem Boden gebrochen worden, und neben dem Loch, das auf diese Weise entstanden war, lagen ein Brecheisen, ein gewaltiger Wagenheber und ein Zapfen aus Stahl. Am Bein eines der im Fußboden verankerten Arbeitstische war eine Strickleiter befestigt, die in das Loch hineinhing und irgendwo im Dunkeln endete. Wade hatte die Methode, die hier angewendet worden war, einmal in einem deutschen Kriminalmuseum erklärt bekommen: Man klemmte den Wagenheber zwischen die hängende Eisenstange und den auf dem Boden stehenden, mit der Spitze nach unten zeigenden Zapfen. Ein paar Umdrehungen »spannten« den Wagenheber bis aufs äußerste, und der dadurch entstehende Druck war so groß, daß der Zapfen ein Loch in den Boden trieb, das mit dem Brecheisen erweitert werden konnte. Wade griff nach der Strickleiter, zwängte sich durch das Loch und kletterte in den darunterliegenden Raum. Es war ein großes Büro, in dem reihenweise Schreibtische standen. Er entdeckte eine Tür, aus der das Schloß herausgeschnitten worden war, und gelangte auf eine schmale eiserne Wendeltreppe, über die er ins nächste Stockwerk hinunterstieg. Er hörte, daß unten eine Tür geöffnet wurde, und riß seine Pistole aus der Tasche. Aber er brauchte sie nicht, es waren der Bankdirektor und Cardlin, die durch den Haupteingang hereingekommen waren. Wade stieß im Erdgeschoß auf sie. »Es ist schon merkwürdig, daß ausgerechnet bei uns eingebrochen wurde«, sagte Direktor Wilson. »Wir haben weder viel Bargeld noch Gold- oder Silbermünzen hier, die Zentrale ist ja nicht allzuweit weg.«
»Haben Sie eine Stahlkammer mit Kundendepots?« fragte Wade und berichtete Wilson mit wenigen Worten von seinem Verdacht.
»Ja, wir haben mehrere Dokumenten-Kassetten in Verwahrung«, antwortete der Direktor. »Aber um an die heranzukommen, hätten sie diese Tür aufbrechen müssen, und die ist unbeschädigt.« Er zeigte auf eine große Stahltür, die in dem kleinen Büro, in dem er gewöhnlich saß, in die Wand eingelassen war. Die Tür war zwar abgeschlossen, doch schon eine flüchtige Untersuchung ergab, daß man zumindest versucht hatte, sie zu öffnen. Der Lack war zerkratz, und später entdeckten sie, unter dem Schreibtisch versteckt, einen Satz meisterhaft gearbeiteter Einbruchswekzeuge und einen großen Schweißbrenner. Wilson bat Wade und Cardlin, ein Stück zurückzutreten, während er an der Tür der Stahlkammer das Kombinationsschloß einstellte und das Rad drehte. Dann schob er nacheinander zwei Schlüssel in die dafür vorgesehenen Schlitze. Man hörte ein ganz leises »klick«, und die mächtige Tür schwang auf. Wilson machte Licht und fuhr mit der Hand an der vorspringenden Kante der dicken Stahltür entlang, bevor er die sechs Stufen herunterging , die in den Tresorraum führten.
»Hier sind die Kassetten« sagte er und zeigte auf eine Reihe schwarzlackierter Kästen. »Und dort« -er wies auf ein Stahlgitter, das diesen Raum von einem zweiten, kleineren, trennte-- »bewahren wir unsere Geschäftsbücher und das bißchen Bargeld auf, das wir im Hause haben.« »Welche Kassette gehört dem Pattison-Treuhandfonds?« fragte Cardlin. Der Direktor griff nach einer Kassette, die kleiner als die anderen, aber Cardlin stieß ihn beiseite und nahm sie selbst heraus. Dann schob er zum fassungslosen Erstaunen der beiden anderen ein keilförmiges Werkzeug unter den Deckel. Ein lautes knacken, und der Deckel flog auf. Cardlin griff in die Kassette , holte zwei schmale Papierbündel heraus und steckte sie in die Tasche. Dann machte er ganz gelassen kehrt und ging auf die Stufen zu. Erst jetzt erholte Wade sich von seiner Verblüffung. »Was hat das zu bedeuten, Cardlin?« fragte er aufgebracht.
Er lief zwei Schritte hinter den bärtigen Mann her und blieb dann wie angewurzelt stehen. Cardlin hatte sich umgedreht und zielte mit großkalibrigen Pistole auf ihn. »Keine Bewegung, ihr beiden« sagte er. Ich möchte nicht schießen, weil ich die Bullen nicht unbedingt auf mich aufmerksam machen möchte. Sie könnten mir nämlich meinen schönen Angelurlaub verderben, auf den ich mich schon freue.«
Erst jetzt bemerkte Wade, dass der Mann einen amerikanischen Akzent hatte. Ihm war auch so, als habe
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