083 - Das Gasthaus an der Themse
Mitternacht und sechs Uhr morgens begangen, denn um sechs hat man ihn gefunden. Demnach muß Siniford irgendwo in der Umgebung von Westminster ermordet worden sein.« Er nahm die plump und schwer aussehende Weste vom Haken, die der Tote getragen hatte. »Hier ist ein weiterer Beweis dafür, daß er eine Seereise unternehmen wollte. Die Weste ist mit Kork gefüttert. Die Dinger werden eigens für ängstliche Schiffspassagiere hergestellt, weil sie einen Rettungsring ersetzen. Die Mörder haben nicht damit gerechnet, daß er, weil er die Weste trug, nicht untergehen würde. Die Uhr ist um ein Uhr siebzehn stehengeblieben, fünf Minuten bevor die Ebbe einsetzte. Als die Leiche gefunden wurde, begann eben wieder die Flut.« Elk sah seinen Kollegen lachend an. »Sie entpuppen sich ja als richtiger kleiner Sherlock Holmes, Wade«, sagte er. »Was is'n das?« Er nahm den Ring vom Tisch und betrachtete ihn neugierig. »Bißchen klein für seine Finger, nicht wahr?« »Er steckte in seiner Westentasche«, antwortete Wade. »Und er war nicht für ihn bestimmt - es ist ein Ehering.« Elk pfiff durch die Zähne. »Also heiraten wollte Seine Lordschaft, so, so!« Er legte den Ring auf den Tisch zurück und warf dann einen raschen Blick auf Wades verstörtes Gesicht. »Sie sind ganz durcheinander, nicht wahr?« fragte er freundlich und legte ihm die Hand auf die Schulter. Wade nickte. »Ich bin schrecklich durcheinander«, bekannte er. »Dieser Mord hat meine Lieblingstheorie und alles, was ich mir über den Fall zurechtgelegt hatte, über den Haufen geworfen. Ich dachte, daß der Plan dahin gehe, Lila mit Lord Siniford zu verheiraten, und glaubte, das sei eine vorläufige Lebensversicherung für sie. Es verringerte die Gefahr, in der sie sich befindet, aber jetzt...« Er unterbrach sich mit einer Geste der Hoffnungslosigkeit. Elk ging, rief ihn aber schon eine Stunde später an und bestellte ihn nach Scotland Yard. Geistig und körperlich erschöpft, seelisch schwer angeschlagen, folgte Wade der Aufforderung.
Er fand Elk im Büro des Superintendenten bei einer Besprechung. Als Wade hereinkam, las der Vorgesetzte gerade einen langen Seefunkspruch. Er schob ihm das Papier über den Tisch zu.
»Das ist das Ende der ›Seal of Troy‹«, sagte er. »Auf Befehl der Admiralität wurde sie von einem unserer Kreuzer in der Nähe der brasilianischen Küste aufgebracht. Hier ist der Bericht.« Es war eine vier Seiten lange Nachricht. »Auf Anweisung Ihrer XF, 43/C/9Ai/95142 habe ich die ›Seal of Troy‹, Breite X, Länge X, aufgebracht und durchsucht. Ladung besteht aus landwirtschaftlichen Maschinen und Automobilen. Ladelisten in Ordnung. Kapitän Silvini, Erster Offizier Thomas Treat von Sunderland. Weder Captain Aikness noch Ersten Offizier Raggit Lane an Bord angetroffen. In Kabine 75, 76 und 79 auf dem vierten Deck unter der Wasserlinie habe ich drei Männer gefunden, zwei Engländer und einen Amerikaner, die aussagten, sie würden seit sechs Jahren auf dem Schiff festgehalten und seien damit beschäftigt, die Fassungen gestohlenen Schmucks einzuschmelzen. Unabhängig voneinander sagten sie ferner aus, das Schiff diene hauptsächlich der Aufbewahrung von Diebesgut. In einer Kabine entdeckte ich hinter der Täfelung eine kleine Stahlkammer. Ich ließ sie von unserem Schiffsmechaniker öffnen. Sie enthielt 1250 Karat geschliffene Diamanten, 750 Karat Smaragde, darunter viele von beachtlicher Größe, 17 kleine Platinbarren und 55 Barren Feingold. In einem der drei Kühlräume des Schiffes wurden leicht absetzbare Pfandbriefe im Wert von 83 ooo englischen Pfund und, soweit wir es bisher überschauen können, Bargeld und Goldmünzen mit einem Gesamtwert von 184 ooo englischen Pfund entdeckt. Einer der drei Juweliere sagte aus, das sei die Beute aus sechs Raubzügen, inklusive eines Bankraubs. Setze Reise fort . ..« Die nächsten beiden Zeilen waren verschlüsselt, und da der Yard den Code nicht kannte, auch nicht zu entziffern. Der weitere Text des Funkspruchs lautete:
»Die Aussagen der Männer wurden schriftlich festgehalten, von einem Richter beglaubigt und gehen Ihnen sofort zu. Die ›Seal of Troy‹ setzt Reise unter dem Kommando ihrer eigenen Offiziere fort.« »Das ist aber eine höchst betrübliche Nachricht für Captain Aikness - von Raggit Lane ganz zu schweigen«, sagte Elk. Wade schüttelte den Kopf. »Nicht ganz so betrüblich, wie Sie glauben. Meiner Meinung nach wußte Aikness ganz genau, daß das Spiel zu Ende ist,
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