083 - Der Tod trägt eine Maske
legte den Pullover weg. »Natürlich, Tony.« Sie küßte mich, und in ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich bleibe selbstverständlich bei dir. Und ich nehme deine Entschuldigung an. Ach was. Es gibt überhaupt nichts zu verzeihen. Was wirst du gegen diese entsetzliche Krankheit unternehmen?«
»Angeblich ist jeder verloren, der das Geisteropium geraucht hat, aber damit will ich mich nicht abfinden. Ich hatte ein langes Gespräch mit Mr. Silver, und er ist davon überzeugt, daß es für jedes Gift ein Gegengift gibt. Das muß gefunden werden. Roxane, Cruv, die Mitglieder des ›Weißen Kreises‹… Alle, die helfen können, denen mein Wohl am Herzen liegt, wurden von Mr. Silver gebeten, sich an der Suche nach dem Gegengift zu beteiligen.«
»Mittlerweile schreitet die ›Krankheit‹ aber fort«, sagte Vicky.
»Das ist der Haken an der Geschichte. Wir wissen nicht, ob sich das Gift weiterhin so langsam ausbreiten wird, oder ob es bald schneller zu wuchern beginnt. Ich habe aus diesem Grund mit Pater Severin gesprochen und ihn gebeten; einen Exorzismus vorzunehmen.«
Vicky Bonneys Blick hing gespannt an meinen Lippen. »Und? Wird er es tun?«
»Mir wäre schon geholfen, wenn es ihm gelänge, das Gift zu stoppen. Dann hätten wir Zeit, nach dem Gegengift zu suchen.«
»Warum hat er den Exorzismus noch nicht vorgenommen?«
»Er muß sich darauf gewissenhaft vorbereiten.«
»Wann wird Pater Severin soweit sein?«
»Er wird es mir umgehend sagen, und er hat mir versprochen, sich zu beeilen.«
Vicky klammerte sich zitternd an mich. »Ich habe Angst um dich, Tony. Große Angst.«
»Es wird schon gutgehen«, erwiderte ich.
Hoffentlich…
***
Das Mal der Opfer!
Yerdyn trug es an seiner Wange. Ein kleiner, dunkelgrüner Punkt war es. Wer ein solches Mal im Gesicht trug, auf den hatten es die Mitglieder der geheimen Sekte abgesehen, den jagten sie gnadenlos, und sein Leben sollte ihres retten.
Auch sie hatten das Fanal am grünen Himmel gesehen und wußten nun, was sie tun mußten. Bestimmt waren sie bereits ausgeschwärmt und durchkämmten das Land, auf der Suche nach Wesen, die mit so einem Mal gekennzeichnet waren.
Yerdyn faßte sich unwillkürlich an die Wange. Sein Vater erhob sich. »Wir sollten uns wirklich überlegen, ob es nicht klüger wäre, von hier fortzugehen«, sagte er. »Wir werden morgen noch einmal ausführlich darüber reden, mein Junge. Inzwischen hast du reichlich Zeit, über das Gesagte nachzudenken.«
Bika trat aus der Blockhütte und begab sich zum See, während Yerdyn seine Arbeit wieder aufnahm. Aber er war nicht mehr richtig bei der Sache. Viele Gedanken beschäftigten ihn.
Er wollte von den Mitgliedern der Geheimsekte nicht zum Opferlamm gemacht werden. Er würde kämpfen bis zum letzten Atemzug, wenn sie es wagen sollten, ihn sich zu holen.
Mich kriegt ihr nicht, dachte er grimmig. Mit mir könnt ihr Alcarrax nicht versöhnlich stimmen und erreichen, daß er euch verschont. Ich trage zwar das Mal der Opfer in meinem Gesicht, aber ich werde kein Opfer sein. Niemals!
Er mußte sich zwingen, die begonnene Arbeit zu beenden. Am liebsten hätte er das Netz in eine Ecke geworfen, so trotzig und zornig war er.
Bika stand indessen am Ufer des Sees und blickte kummervoll in die Ferne. Plötzlich drang ein Geräusch an sein Ohr, das ihn alarmierte. Beunruhigt drehte er sich um.
In den nahen Büschen raschelte es verräterisch. Trotz seines Alters hatte Bika noch sehr gute Ohren, denen nichts entging. Die Geräusche paßten nicht in die abendliche Stille.
In den Büschen mußte sich jemand verbergen.
Bika griff sofort zum Jagdmesser und zog es aus der grünen Lederscheide. Die Geräusche, die er wahrgenommen hatte, waren von keinem Tier verursacht worden. Er wußte, wie sich Tiere bewegten, mochten sie nun klein oder groß sein. Von Kindheit an hatte er mit Tieren gelebt. Er wußte; wie sie sich verhielten, wie sie auf seine Nähe reagierten, und er wußte auch, wie sich ein Feind verhielt.
Gespannt, mit gezogenem Messer, näherte er sich den Büschen. Er wußte nicht, mit wie vielen Gegnern er es zu tun hatte, rechnete damit, mit seiner furchtlosen Art ihre Flucht zu erzwingen.
Aber er verrechnete sich. Er war nicht mehr jung. Nur feige Memmen flohen vor einem alten Mann, und mit solchen hatte er es nicht zu tun.
Sie waren zu dritt, lagen auf der Lauer, warteten und beobachteten den Alten. Sie hatten gehört, daß sein Sohn das Opfermal trug und waren gekommen, um sich Yerdyn
Weitere Kostenlose Bücher