0835 - Im Kreisel der Angst
Aber Suko griff nicht an, er setzte sich nur hin und drückte seinen Rücken gegen die Wand.
»Du hast uns gehört?« fragte ich.
Suko schwieg.
Ich war zu weit weg, um sein Gesicht erkennen zu können. Deshalb wußte ich auch nicht, ob der Ausdruck Qual zeigte oder starr und glatt geblieben war.
Mein Blickziel wechselte. Jetzt war die Schlange für mich wichtig. Ich schaute geradewegs gegen ihr weit aufgerissenes Maul mit der heraushängenden Zunge. Die häßlichroten Augen glotzten mich an, So fixierte jemand ein Opfer.
»Du wirst nicht gewinnen!« flüsterte ich dem häßlichen Schlangenschädel entgegen, »du nicht!«
»Willst du es tun, John?« fragte Bill, und seine Stimme klang schrill dabei.
Als Antwort drückte ich den rechten Arm nach vorn. Gleichzeitig senkte ich die Hand und auch die Waffe. Die Mündung zeigte auf das offene Maul, mein Zeigefinger legte sich um den Stecher.
Wenn ich jetzt abdrückte, konnte ich nicht vorbeizielen.
»Dann mach es!«
Verdammt, es fiel mir schwer. Wenn ich die Schlange erwischte, würde ich auch Shao töten. Aber konnte ich eine Tote wirklich noch töten? Sie war nicht normal tot, was immer auch mit ihr geschehen sein mochte, ich mußte mich von dem Gedanken befreien, es mit einer normalen Frau zu tun zu haben und wußte zugleich, daß es nicht möglich war. Mein schlechtes Gewissen würde mich begleiten, mich quälen…
Trotzdem…
Ich bewegte meinen rechten Zeigefinger.
»Nein, tu es nicht, John! Laß es sein!« flehte mich Suko an.
***
Meine rechte Hand zuckte unwillkürlich zurück.
Suko saß noch immer auf derselben Stelle. Er hatte den Kopf angehoben, um wenigstens etwas von mir erkennen zu können. Tränen schimmerten in seinen Augen.
Bill war zurückgegangen. Er atmete tief durch. Sah dabei aus, als wäre ihm eine Last von den Schultern weggehoben worden, aber die große Entspannung wollte nicht eintreten. Dazu war die Lage einfach zu brisant. Als günstig wollte ich Sukos Reaktion bezeichnen, er hatte es nicht bis zum letzten kommen lassen, aber wir wollten uns auch nicht mit dem einen Satz abspeisen lassen.
»Also gut«, sagte ich. »Du hast mich überzeugen können. Ich habe nicht geschossen. Aber wir verlangen von dir als Gegenleistung eine Erklärung. Das versteht sich.«
»Ja, ja«, flüsterte er und nickte. »Ich hatte euch doch gesagt, mich allein gehen zu lassen. Ihr wolltet nicht, ihr mußtet mich ja verfolgen.«
»Zu recht, wie sich jetzt herausgestellt hat.«
»Nein, John.«
»Und die Schlange?« fragte ich schon leicht höhnisch. »Was ist mit ihr? Ist es auch normal, wenn sie aus dem Mund einer Toten schnellt? Oder soll ich sagen einer möglicherweise nicht toten Person? Lebt Shao noch? Hast du uns in die Irre geführt? Ist das alles ein Spiel, das du hier veranstaltest?«
»Das ist es nicht.«
»Dann bitten wir um Aufklärung.«
Suko blieb sitzen. Er schloß für einen Moment die Augen und senkte den Kopf. Wahrscheinlich mußte er sich sammeln oder suchte nach einer plausiblen Ausrede.
Ich wollte es ihm leichter machen und fragte: »Wie ist die Schlange in ihren Körper gelangt und auch in den einer Frau namens Amy. Das würde uns interessieren.«
»Es ist der Schlangengeist…«
»Ein Geist sieht anders aus.«
»Sie sind als Geister hier. Sie sind in der Nähe, sie sehen und überwachen alles. Ich habe nur erfüllt, was Shao mir in den letzten Sekunden ihres Lebens zugeflüstert hat. Ich sagte dir nicht alles, John, weil es dich nichts anging.«
»Jetzt schon.«
»Das kann sein.«
»Und was sagte sie?«
»Es war ein Testament.«
Die Antwort warf mich fast aus den Schuhen. »Hast du Testament gesagt?« forschte ich nach.
»Ja, so ist es gewesen.«
Ich mußte lachen, auch wenn es ihm nicht gefiel. »Wieso hat sie ein mündliches Testament gemacht?«
»Sie ist anders gewesen, und sie wollte nach ihrem Tod dem Schlangengott geopfert werden. Es war ihr letzter Wille, und ich habe damit nichts zu tun. Ich bin nur das ausführende Organ gewesen. Jetzt wißt ihr Bescheid.«
Klar, das wußten wir, aber wir sahen darin keinen Sinn. Shao war nicht irgendwer gewesen. Sie hatte der Sonnengöttin Amaterasu gedient, die im Dunklen Reich verschollen war. Sie hatte sich verändert gehabt. Sie war aus ihrer anderen Dimension gekommen als Rächerin mit der Halbmaske, ganz in Schwarz gekleidet, ein weiblicher Zorro, nur nicht mit einem Degen, sondern mit der Armbrust kämpfend. Sie hatte auf unserer Seite gestanden, und es gab
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