0835 - Im Kreisel der Angst
überhaupt keinen Grund, sie einem finsteren Gott zu opfern. Das war alles so paradox.
»Suko, ich glaube dir nicht«, sagte ich, und Bill Conolly nickte zustimmend.
»Warum nicht?« schrie der Inspektor. »Warum glaubt ihr mir nicht? Nennt den Grund!«
Ich erzähle ihm, was mir kurz zuvor durch den Kopf geschossen war.
Suko starrte mich dabei an. Nicht mit einem Wort wurde ich unterbrochen, aber ich sah auch nicht, was sich in seinem Gehirn abspielte, denn keine Gefühlsregung drang nach außen.
»War es nicht so?« fragte ich noch einmal zum Schluß. »Hat Shao nicht immer auf unserer Seite gestanden?«
»Das hat sie.«
»Und plötzlich soll sie einem Schlangengott geopfert werden? Das will mir nicht in den Sinn.«
Sukos Kopf sank langsam zur Seite, als hätte ihn die Kraft verlassen. »Sie hat es mir aber gesagt«, flüsterte er. »Ihr müßt mir glauben. Sie hat es mir gesagt.«
»Daß du sie hier hinschaffen sollst?« fuhr ich ihn an.
»Ja!«
Es war allein eine Auseinandersetzung zwischen ihm und mir. Bill hielt sich bewußt heraus, denn Suko und ich waren stärker befreundet, und das sollte auch jetzt nicht bröckeln.
»Warum gerade in diese leere Baracke, Suko? Ich will darauf eine Antwort!« Meinen ursprünglichen Platz hatte ich inzwischen verlassen und war um diesen schauerlichen Altar herumgegangen.
So stand ich in Sukos Nähe.
»Ich kann es dir sagen«, erwiderte er keuchend. »Ich kann es dir genau sagen. Hier an diesem Ort treffen sich die Diener der Schlangengeister. Sie sind eine uralte Sekte. Es gab sie schon in China. Sie haben sich in London wiedergefunden, verstehst du, und sie müssen es geschafft haben, Shao zu beeinflussen. Ich habe sie in den letzten Monaten doch kaum gesehen, ihr ebenfalls nicht. Sie ist erst kürzlich wieder in unser Leben getreten, durch die Hexe Tatjana, die Rache wollte.«
»Das wissen wir, Suko. Nur suche ich die Verbindung von Tatjana zu den Schlangengeistern.«
»Es gibt keine.«
»Meiner Ansicht nach schon.«
»Nein, denn es ist Shaos Wunsch gewesen, den Schlangengeistern geopfert zu werden. Nur ihr einziger Wunsch. Sie muß in den letzten Wochen ihre alte Überzeugung verloren haben, nur so ist dieser Übertritt erklärbar, und ich habe ihr den letzten Willen erfüllt.«
Nein, nein, nein, das wollte ich nicht glauben, behielt es allerdings für mich. »Gut, stoppen wir mal hier und gehen etwas zurück. Du hast sie hergeschafft, denn ein normales Begräbnis kam für sie nicht in Frage. Das verstehe ich auch. Was ich nicht verstehe, ist die verdammte Schlange, die aus ihrem Mund hervorschaut. Kannst du mir das erklären, denn als du sie brachtest, war die Schlange noch nicht da. Oder habe ich mich da geirrt?«
»Nein, das nicht.«
»Dann möchte ich von dir hören, wie es dazu gekommen ist, Suko. Jede Einzelheit verdammt!«
Er nickte, mußte sich aber erst sammeln, um reden zu können. »Ich kam hierher, und ich spürte sofort, daß es hier anders war. Es brannten bereits die Flüssigkeiten. Der Rauch stieg in die Höhe. Die Geister hatten sich hier versammelt.«
»Die Schlangengeister, denke ich.«
»Ja, das stimmt.«
»Weiter.«
»Ich legte Shao auf den Opfertisch. So ist es vorgeschrieben. Ich habe das Totenritual vollzogen, indem ich ihr die Haare abschnitt und die Zeichen auf den blanken Kopf malte. Es sind die Insignien der Macht, die Sigille der Schlangengeister. Uralte Zeichen, so alt wie die Welt, sagt man immer.«
»Und die hast du gekannt?« Ich wunderte mich schon darüber.
»Ja, ich wußte Bescheid.«
»Okay, weiter. Du hast ihr die Haare abgeschnitten und die Zeichen auf den Kopf gemalt. Was geschah dann?«
»Danach kamen sie.«
»Die Geister?«
»Ja.« Suko nickte.
Ich wollte es nicht so recht glauben. »Und woher kamen sie so plötzlich?« Mein Arm wies nach oben. »Aus der Decke.« Dann deutete ich nach unten. »Oder aus dem Fußboden?«
»Nein. Weder das eine noch das andere.«
»Aus der Luft?«
Mir blieb die Luft weg, als ich Sukos Nicken sah. Meine Frage hatte spöttisch klingen sollen, war allerdings von Suko nicht so aufgefaßt worden. »So kannst du es sagen, John.«
»Wie genau?«
»Die Luft ist voll mit ihnen. Sie sind da, sie werden immer wieder geboren. Immer neu.«
»Sind es die Schalen?«
Suko nickte. »Ja, es sind die Schalen«, erwiderte er mit kaum hörbarer Stimme. »Aus ihnen steigen sie hervor. Sie sind der Nachschub für die Schlangengeister.«
Das wollte mir nicht in den Kopf, deshalb besah
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