0835 - Im Kreisel der Angst
tatsächlich so tot war, wie wir es angenommen hatten. Was hier geschehen war, das entsprach nicht dem Verhalten einer normalen Leiche, falls dieser Vergleich überhaupt zulässig war.
Ich ging um Shao herum.
Dabei besah ich mir ihren nackten Körper. Immer auf Hinweise hoffend, die mich an ihrem Tod zweifeln ließen, aber das war nicht der Fall. Shao blieb tot, sie regte sich nicht. Es floß kein Atem aus ihrem Mund, und es zuckte auch keine Wimper.
Ihr Mund stand weit offen. Ich betrachtete dies als eine Einladung, blieb neben ihr stehen, betrachtete das Gesicht und auch natürlich in den Mund.
Ich konnte es selbst nicht genau sagen, aber der Mund kam mir nicht normal vor. Die Lippen schon, in der Tiefe allerdings sah es ein wenig anders aus.
Lag dort die Zunge?
Wenn ja, bewegte sie sich vielleicht?
Unmöglich - nein, nicht unmöglich. Daran wollte ich nicht mehr denken. Ich mußte Genaueres erfahren, doch dazu brauchte ich Licht. Deshalb holte ich die kleine Bleistiftleuchte hervor und schickte den Strahl direkt in die offene Mundhöhle.
Sie wurde ausgeleuchtet. Ich sah den Gaumen, dessen Haut mir rissig vorkam, ich leuchtete auch in die Kehle hinein - und dort bewegte sich etwas.
Für kurze Zeit hielt ich den Atem an, weil ich doch überrascht worden war.
Mir kam eine andere Szene in den Sinn. Ich dachte an Amy, aus deren Mund sich der Kopf einer Schlange gepreßt hatte. Sollte sich bei Shao das gleiche Phänomen gebildet haben?
Bewegungen, ein leichtes Zucken, ein Schlagen der Zungenspitze, das alles fiel mir auf.
Und dann der Stoß!
Es war kaum zu fassen, plötzlich raste etwas hervor, und wieder dachte ich an einen dicken Wurm.
Wäre er es mal gewesen, es war eine Schlange, dicker als die bei Amy. Mit einer gelbbraunen, schuppigen Haut. Mit zwei Augen, die wie die Schlafaugen eines Scheinwerfers in die Höhe geklappt waren und mich in derselben roten Farbe anglotzten, wie ich sie von Shaos Augen her kannte.
Eine gespaltene Zunge schnellte hervor. Sie zuckte an den beiden Spitzen, und über ihr, im Oberkiefer wuchsen vampirähnliche Zähne.
Ich kam mit dieser Erscheinung nicht zurecht. Ich wollte es auch nicht, für mich war Shao tot oder ein totes Monster.
Aber die Schlange, das Böse, lebte. Sie hatte mich beim Hervorschnellen beißen wollen. Wäre ich nicht so schnell zurückgezuckt, dann hätte sie es auch geschafft.
Der Fluch war mir ebenso im Hals steckengeblieben wie die Schlange in der Kehle der Toten steckte. Sie ragte ungefähr eine Handlänge hervor, war dabei nicht starr, sondern pendelte leicht mit dem Kopf von einer Seite zur anderen.
Durch den weit geöffneten Mund hatte sich auch Shaos Gesicht verändert. Es zeigte längst nicht mehr die Schönheit von einst. Auch als Shao gestorben war, hatte sie noch so ausgesehen wie eine lebende Person, das war nun vorbei.
Die Nase wirkte durch die hochgeschobene Haut wie eine Beule in ihrem Gesicht. Auch die roten Augen hatten sich zusammengeschoben, waren aber noch immer recht groß und leuchtend. Auf der Kopfseite zeichnete sich auch weiterhin das Muster ab, und mir stellte sich zwangsläufig die Frage, was ich mit dieser Person anstellen sollte.
War sie tot? War sie nicht tot?
Wenn nicht, hatte sie sich zu einem gefährlichen Monstrum verändert, daß keine Existenzberechtigung mehr hatte. Bei diesem Gedanken erschrak ich selbst, wollte ihn jedoch nicht zur Seite streifen, denn ich ging einem Job nach. Ich mußte logisch und klar denken, vor allen Dingen durften keine persönlichen Gefühle mehr eine Rolle spielen.
Fazit: eine Kugel!
Auch wenn es mir nicht gefiel und mir schwerfallen würde, die Mündung gegen das Schlangenmaul zu drücken, ich sah keine andere Alternative. Bei Amy hatte ich es tun müssen, sie war mit der Schlange verbunden gewesen, denn dieses Monstrum hatte sich in ihrem Körper regelrecht festgefressen.
Mein Blick glitt über Shao hinweg dorthin, wo sich Suko und Bill aufhielten.
Suko lag noch immer am Boden. Bill hatte sich seitlich neben ihn gestellt, die Mündung auf sein Gesicht gerichtet. Auch diese Szene war für mich schrecklich, denn wir drei gehörten gewissermaßen zusammen, waren Freunde und keine Feinde.
In diesem Fall nicht, denn auch Suko hatte es erwischt. Ich rechnete sogar damit, daß auch aus seinem Mund eine Schlange wachsen würde. Dann war er ebenfalls verloren.
Bill hatte gespürt, daß er angeschaut wurde und drehte für einen Moment den Kopf.
Ich nickte ihm nur zu, da mir in diesem
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