0835 - Im Kreisel der Angst
es erlebt, bei Shao ebenfalls. Er hatte die Menschen dann übernommen.
Meine Gedanken blieben bei Shao hängen. »Suko, ich verstehe noch immer nicht, wie ausgerechnet Shao an diesen Obu-Schobb kommt? Welche Verbindung besteht zwischen den beiden? Wie ist es überhaupt dazu gekommen?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
»Kannst oder willst du es nicht?«
»Ich kann es nicht. Ich habe keine Ahnung. Zwischen Shao und mir ist nie darüber gesprochen worden. Sie muß erst vor kurzer Zeit mit ihm Kontakt gehabt haben. Vielleicht auch über Amaterasu oder andere Dämonen, an die ich nicht herangekommen bin. Es ist alles so unfaßbar für mich. Ich wollte ihr nur den Gefallen tun.«
Suko hatte in seinen Ausführungen sehr glaubwürdig geklungen. Es ist etwas anderes, ob ich einem Menschen einen Wunsch erfülle oder einen letzten Wunsch. Der letzte Wille ist so etwas wie eine Verpflichtung, die eingehalten werden muß.
»Du hast gesehen, wie es passierte?«
»Ja, die Geister sammelten sich. Sie drangen in Shaos Körper ein. Aber das habe ich euch alles gesagt. Laßt mich jetzt mit ihr allein. Ich möchte nicht, daß ihr…«
Ich unterbrach ihn mit harter Stimme. »Warum, Suko? Warum willst du allein bleiben? Ist es das Ende? Oder was hast du noch alles vor? Bitte, ich warte auf eine Antwort.«
»Ich habe Shao geliebt. Ich war ihr im Leben treu, ich werde es auch im Tod sein.«
»Hast du keine Angst davor, von diesen Schlangengeistern ebenfalls vereinnahmt zu werden?«
»Ich könnte nichts daran ändern.«
»Doch, das könntest du«, sagte Bill. »Es ist ganz einfach. Du brauchst nur mit uns zusammen diesen Raum hier zu verlassen. Wir werden zu unserem Wagen gehen, uns hineinsetzten und verschwinden. Nicht mehr und nicht weniger. Alles ist möglich, alles ist einfach.«
»Ich kann es nicht.«
»Was willst du denn noch?« rief ich.
»Bei ihr bleiben!«
»Und untergehen, verdammt?«
Suko schüttelte den Kopf. Wenn ich ihn mir so anschaute, konnten wir auf einen Vorteil zurückblicken. Wir hatten es immerhin geschafft, ihn von gewissen Dingen zu befreien. Er reagierte zumindest schon normaler als noch vor kurzer Zeit, als er bereit war, Bill ein Messer in den Körper zu stoßen. Der Bann war gelockert, wenn nicht schon gebrochen worden. Zwischen ihm und Shao hatte es starke Bande gegeben, aber auch die Freundschaft ist ein Band. Suko mußte endlich einsehen, daß seine Freunde lebten, seine Freundin oder Geliebte aber nicht mehr zu retten war. Sie lag regungslos auf der Steinplatte, und aus ihrem Mund hatte sich dieser Schlangenkörper geschoben.
»Darf ich dir etwas vorschlagen?« fragte ich.
»Ja, natürlich.«
»Wir gehen und lassen Shao hier.«
»Nein!«
»Warum nicht?«
»Ich will sehen, was mit ihr geschieht. Ihr könnt mich nicht zwingen. Es hat alles seinen Sinn. Shao ist immer schon verschlungene Wege gegangen, ihr Leben verlief nie glatt. Sie ist eine ungewöhnliche Person, sie steht zwischen den Zeiten…«
»Stand«, sagte ich.
»Sie ist tot«, fügte Bill hinzu und fragte gleich darauf, »oder?«
Suko senkte den Blick. »Ich habe sie sterben sehen«, murmelte er. »Ich sah sie sterben, und ich konnte ihr nicht helfen. Die Rache der Hexe war schrecklich.«
»Dann laß sie jetzt in Ruhe.«
»Nein, John, nein. Es ist für mich noch nicht ausgestanden. Ich muß sehen, wie es endet.«
»Wie könnte es denn enden? Hast du da eine Vermutung?«
»Noch nicht, aber…«
»Suko, es hat doch keinen Sinn. Noch bist du ein Mensch. Du hast uns selbst erzählt, daß sich dieser verdammte Obu-Schobb hier zwischen den Wänden aufhält. Als Geisterpuzzle irrt er durch diesen Raum. Wir sind nicht unbedingt scharf darauf, das gleiche Schicksal zu erleiden wie Shao. Das muß ich immer wiederholen. Und wir wollen auch dir diese verdammte Qual ersparen.«
»Ihr kommt zu spät.«
»Das sehe ich nicht so, das…«
Ein Zischen hatte mich unterbrochen. Dann hörte ich Bill Conollys Stimme: »John, das ist…«
Ich hatte mich schon gedreht und schaute dorthin, wo auch Shao lag. Ob sie oder die Schlange das Zischen ausgestoßen hatte, war mir nicht bekannt. Jedenfalls hatte sie ihre Lage verändert. Sie lag nicht mehr, sondern hatte sich aufgesetzt, und ihre rötlichen Augen rotierten…
***
Tot oder nicht tot?
In diesem Augenblick stellte sich wieder die Frage, denn Shaos Bewegung hatte etwas Zombiehaftes an sich. Sie war wie eine steife Gestalt in die Höhe gefahren. Sie hatte sich aufgesetzt und ihre Arme
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