0836 - Das Puppenmonster
zurechtgelegt, und ich bin nicht sicher, ob sie ankommen. Deshalb meine Nervosität, sage ich mal.«
Marsha lächelte. »Das hat mich zwar gewundert, aber ich bin nicht die Moderatorin.«
»Nun ja, ich werde es überleben.«
»Sie doch immer.«
Leona Lockwood lächelte. Allerdings mehr innerlich, denn die Garderobiere sollte es auf keinen Fall sehen. Marsha merkte zudem, daß Leona nicht viel reden wollte. Sie beendete ihre Arbeit, nahm die Schutzdecke von Leonas Schultern und nickte ihr zu. »So, das ist es gewesen.«
»Danke.« Die Bauchrednerin erhob sich.
Marsha war zur Seite getreten. Sie rechnete damit, daß Leona an ihr vorbeigehen würde, was allerdings nicht der Fall war, denn die Frau lief auf Marsha zu und umarmte sie. »Ich hoffe, daß es gutgeht«, flüsterte sie. »Ich hoffe es wirklich.«
»So nervös, Leona?«
»Ja, das bin ich.« Mehr sagte sie nicht.
Beinahe überhastet verließ sie die Garderobe und ging dorthin, wo Sam Gorman auf sie wartete. Er hatte sich eine ziemlich dunkle Stelle ausgesucht, an der beide so leicht nicht zu entdecken waren. Dort schaute er sie an und hob den rechten Arm. Er streckte ihr die Puppe entgegen.
»Da, nimm deinen Liebling. Nimm ihn, er gehört doch dir.«
Sie nahm die Puppe entgegen, obwohl sie die kleine Bestie haßte. Auch jetzt registrierte sie, daß Leben in ihr steckte, denn das Gesicht verzog sich in die Breite. Die Augen funkelten schon jetzt voller Haß, die Bösartigkeit zeigte sich in einem kalten Glitzern.
»Willst du sie nicht küssen, Leona?«
»Nein!«
Er hob warnend den rechten Zeigefinger. »Bitte mach keinen Fehler. Reiß dich zusammen! Laß sie nicht spüren, daß du sie nicht magst. Sie könnte sonst durchdrehen.«
»Mit dem Hackbeil, wie?«
»Ja, auch das. Es ist übrigens gut, daß du mich daran erinnerst. Sie trägt es bei sich.«
»Und wo?«
»Unter dem Kleid versteckt. Es paßte gerade. Sie wird darauf achten, daß du keinen Unsinn machst.«
Leona nickte. Erst jetzt fiel ihr die Schwere der Puppe auf. »Ich habe auch ein Hackbeil«, sagte sie.
»Das ist mir bekannt. Es befindet sich in deiner Tasche.«
»Und die werde ich mitnehmen.«
»Das steht dir frei.«
»Hast du keine Angst?«
»Wovor?«
Leona gab keine direkte Antwort, hob die Schultern und meinte nur: »Schon gut…«
Dann ging sie.
Auch der Toningenieur mußte wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Niemand sah ihm an, welche Gedanken ihn beschäftigten. Er war ein Mensch, der sich ausgezeichnet unter Kontrolle hatte, und auch die Kollegen wußten nicht, was ihn beschäftigte.
Leona Lockwood hatte bereits in der Dekoration Platz genommen. Im Hintergrund war die bunte Wand mit dem Logo der Sendung aufgestellt worden. Viel Farbe, kindliche Malereien, eben eine sehr bunte Sendung am frühen Abend, und Leona hockte vor einem schmalen Tisch, auf dem noch einige Stoffpuppen saßen, unter anderem ein Kaspar mit knallroten Haaren. Es kam hin und wieder vor, daß sich Ivy mit den anderen Puppen unterhielt, dann schaffte es Leona jedesmal, ihrer Stimme einen anderen Klang zu geben.
Sie bereitete sich vor.
Sie ging den Text durch.
Eigentlich hatte sie ihn auswendig gelernt, doch momentan fiel ihr kaum ein Wort ein. Da war die Blockade, die Bremse, sie konnte einfach nicht über ihren eigenen Schatten springen. Sie hatte sogar Mühe, eine Einleitung zu finden, und sie ging davon aus, daß sie während der Sendung die richtigen Worte fand.
Ein Regieassistent huschte heran. »Noch eine Minute«, sagte er halblaut.
Leona nickte.
Als der junge Mann verschwunden war, näherte sich Marsha. Die Scheinwerfer waren bereits eingestellt, auf dem Monitor an der Seite zeichnete sich Leona ab. Sie sah selbst, daß sie unter der Schminke schwitzte, und Marsha tupfte noch einmal ihr Gesicht ab. »Ich komme wieder, wenn der Werbeblock läuft.«
»Ist gut.«
»Dreißig Sekunden«, meldete sich die Stimme aus dem Hintergrund des Studios.
Leona Lockwood hob die rechte Hand. So war es immer. Und sie spürte auch die Spannung, die sich über das Studio gelegt hatte. In den letzten Sekunden vor Sendebeginn gab es keinen, der nicht aufgeregt gewesen wäre. Leona hatte eine trockene Kehle bekommen. Sie zwinkerte einige Male mit den Augen, das konnte sie einfach nicht unterdrücken.
»Zehn Sekunden.«
Es war Zeit, nach der Puppe zu greifen und sie in eine bestimmte Position zu bringen.
Wie immer und trotzdem anders, was nicht nur am veränderten Gewicht der Puppe lag, denn
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