0836 - Vision der Vollendung
sie auf diese Welt gekommen war, hatte sie fest daran geglaubt, daß sie hier ihre Bestimmung finden würden. Doch inzwischen waren ihr Zweifel gekommen.
Die Missionarstätigkeit füllte sie noch weniger aus als das Leben auf EDEN II.
„Nein, ich glaube längst nicht mehr daran", sagte Ankamera schließlich.
„Dann hast du deine Meinung geändert?" fragte Sylda hoffnungsvoll. Sie war eine Frau mittleren Alters und von durchschnittlichem Äußeren. „Siehst du ein, daß dieses Leben nicht die Erfüllung für ein Konzept sein kann?"
„Ich habe meine Meinung nicht von heute auf morgen geändert", erwiderte Ankamera. „Ich mußte diese Erkenntnisse erst in einem langwierigen Reifeprozeß erlangen. Ich - und eigentlich wir alle, mußten erst auf dieser Welt Erfahrungen sammeln, um zu wissen, wo unser Platz ist."
„Unser Platz ist auf EDEN II!" riefen einige durcheinander.
Ankamera wartete, bis wieder Stille eintrat, dann fragte sie: „Ist das eure einhellige Meinung?"
Planquart trat vor.
„Ich kann für die anderen sprechen", sagte er, „denn wir haben uns schon oft über dieses Problem unterhalten. Keiner von uns ist glücklich mit der Rolle, die wir auf dieser Welt spielen.
Wir sind für diese Aufgabe einfach nicht geschaffen. Dazu kommt noch, daß wir uns jeder für sich verloren vorkommen. Wir gehören zusammen, Ankamera. Es ist einfach so, daß jeder für sich nichts ist - nur zusammen sind wir vollwertig."
Andere Stimmen wurden laut, die in die gleiche Kerbe schlugen.
„Ich habe mich manchmal für mich selbst geschämt, wenn ich mich von den Eingeborenen wie ein Gott verehren ließ", sagte Philda, ein junges Mädchen mit knabenhafter Gestalt. „Ich weiß, es war die einzige Möglichkeit, die Entwicklung der Eingeborenen zu fördern. Aber unter diesen Umständen sollten wir es bleiben lassen. Wir sind für diese Aufgabe nicht geschaffen."
„Vielleicht sind wir dafür nur noch nicht reif", meinte Ankamera, ohne sich näher zu erklären. Sie fuhr fort: „Ihr erinnert euch, was unser Beweggrund war, uns auf dieser Welt niederzulassen.
Wir wollten ES zu Aktivitäten provozieren. Doch ES hat bis heute nicht reagiert. Und heute glaube ich zu wissen, warum von ES keine Reaktion gekommen ist. ES merkte nicht einmal etwas von unserem Verschwinden.
„Wie meinst du das?" wurde Ankamera gefragt. Und sie antwortete: „ES merkte nichts von unserem Verschwinden, weil es uns längst nicht mehr beaufsichtigt. ES hat uns völlige Entscheidungsfreiheit gegeben. ES bevormundet uns nicht. Das ist für mich der beste Beweis, daß es uns über die anderen Intelligenzwesen stellt - auch über die Terraner. ES akzeptiert uns als gleichberechtigt.
Das ist die Erkenntnis, die ich auf dieser Welt gewonnen habe."
„Ist es nicht doch vermessen, wenn wir uns auf dieselbe Stufe mit ES stellen?" fragte Sylda. „Wir stehen erst am Anfang eines Entwicklungsprozesses, dessen Ende wir nicht absehen können."
„Doch, das können wir", behauptete Ankamera. Nachdem sie sich erst einmal dazu überwunden hatte, das Thema aufzugreifen, ging sie voll aus sich heraus. „Es klingt fast absurd, aber erst das Leben auf dieser primitiven Welt, der Rückfall in die vorkonzeptionelle Zeit, als wir noch Menschen waren, hat mich unsere Bestimmung erkennen lassen. Und ich sehe jetzt die Zusammenhänge.
Kommt mir näher, vereinigt euch mit mir, damit wir eins werden - ein Konzept! Und damit die Erkenntnis, die ich gewonnen habe, in euch alle übergeht."
Ankamera öffnete ihr Kontinuum und nahm die einzelnen Noemata in sich auf. Und als alle Noemata wieder zu einem Konzept vereinigt waren, erfuhren sie von Ankamera, zu welcher Erkenntnis sie gekommen war: Die Konzepte waren die Vorstufe zu einer Superintelligenz!
Am Ende der Reise durch das Universum, wenn die Konzepte alle nur erdenklichen Erfahrungen und alles erreichbare Wissen gesammelt hatten, dann würden sie mit ES auf einer Stufe stehen.
Und das Ende ihrer Reise würde die Geburtsstunde einer Superintelligenz sein.
„Wir sind Teil der werdenden Superintelligenz. Deshalb ist unser Platz auf EDEN II", sagte Ankamera.
Im gleichen Moment aber fragte sie sich, ob sie jemals in das Paradies der Konzepte zurückkehren könnten.
Wir müssen es versuchen!
In diesem Moment öffneten sich die Tempeltore, und die Eingeborenen, die zu ihrer Göttin Ankamera und deren Missionaren pilgerten, strömten in die Halle.
Den Echsenabkömmlingen bot sich ein phantastisches Bild: Ankamera
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