084 - Im Schatten der Guillotine
er, hatte er ihr gesagt, Helfer für ein großartiges Projekt im Herzen der tropischen Insel Madagaskar. Es wäre eine Aufgabe für Intellektuelle mit einem gewissen Pioniergeist. Er hatte von einer geheimen Mission gesprochen, von einem Dorf, in dem nur besonders auserwählte Menschen lebten. Ein neues Volk sollte entstehen - in dieser Okulationskolonie. Maureen konnte sich unter dem Begriff nichts Exaktes vorstellen.
Sie hatte an sich nie daran gedacht, Theodor ernsthaft im Stich zu lassen, obschon das Leben mit ihm alles andere als ein Honigschlecken gewesen war. Dann aber war der blonde Mann in ihr Leben getreten. Sie schätzte, daß er ungefähr ein Meter neunzig groß war. Ein schlanker gepflegter Typ, dessen Augen tiefblau wie die Gletscherseen seiner Heimat Island waren.
Der Mann hieß Magnus Gunnarsson. Vom ersten Augenblick an hatte sie gewußt, daß sie alles für ihn tun würde. Obwohl sie nur eine dunkle Ahnung von dem hatte, was sie auf Madagaskar erwartete, freute sie sich schon darauf, als Lehrerin unter seiner Leitung arbeiten zu dürfen. Und sie stellte sich vor, wie in einer romantischen Nacht die Schranken zwischen ihnen fielen, wie Magnus Gunnarsson sie in seine starken Arme nahm, sich tief über sie beugte und seine Lippen auf ihren vollen Mund preßte.
Sie erschrak ein wenig, als die Stimme des Flugkapitäns ertönte. Der Flug war bereits vorüber. In zehn Minuten würde die Maschine auf dem Flugplatz von Tananarivo aufsetzen. Für Maureen Hopkins war die Reise rasend schnell vergangen. Sie war immer noch angeschnallt, brauchte also keine weiteren Vorkehrungen zu treffen. Geduldig wartete sie, bis der Jet vor dem Airport-Gebäude ausrollte.
Der Privatdetektiv Fred Archer fiel ihr immer noch nicht auf.
In der Halle wurde sie von einen Mann angesprochen. Er schien Europäer zu sein und trug ein kragenloses Hemd und weite. Hosen aus Leinen. Offenbar hatte er sie erwartet. Seine Stimme besaß einen seltsamen Akzent.
„Bitte, folgen Sie mir, Ma'am!"
Sie zog argwöhnisch die Brauen zusammen. „Hören Sie, ich bin in Nairobi genug belästigt worden. Lassen Sie mich in Ruhe!"
„MG schickt mich."
„Magnus Gunnarsson?"
Er gab einen zischenden Laut von sich. „Schscht! Sprechen Sie den Namen nicht aus! Es könnte gefährlich sein. Ich bin nicht sicher, ob man uns nicht belauscht."
„So ist das", entgegnete sie und wurde noch mißtrauischer. „Und wer sind Sie, wenn man fragen darf?"
„Nennen Sie mich einfach Lemmy!“
Maureen zauderte. Aber dieser etwas verwahrloste Mann schien wirklich Europäer zu sein, abgesehen von dem Akzent, sprach er ausgezeichnet Englisch; und er kannte Magnus Gunnarssons Namen. „Sagen Sie ein Kennwort, weswegen Sie hier sind", forderte Lemmy sie auf, während sie zur Gepäckausgabe schritten.
„Okulationskolonie", gab sie leise zurück.
„Gut." Er blieb stehen und sah ihr eindringlich in die Augen. „Ich werde Sie ans Ziel bringen, Mrs. Maureen Hopkins. Zuvor aber öffnen Sie die Augen so weit wie möglich!"
„Was verlangen Sie…
Er schaute starr in ihre Pupillen.
Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, einfach fortzulaufen. Aber da war wieder die Bremse - der Gedanke an Magnus Gunnarsson.
Lemmy hörte auf, sie anzugucken. Er nickte wie zur Selbstbestätigung.
„Sie sind's wirklich. Ich kann beruhigt sein."
Verwundert ging sie neben ihm her. Während sie ihre Koffer auslöste, wandte er sich ab und marschierte in den Raum mit den Schließfächern. Sie trafen sich in der Nähe eines Informationsschalters wieder. Lemmy trug diesmal ein in großes Packpapier gehülltes Bündel bei sich.
„Passen Sie auf, Ma'am!" sagte er. „Sie überlassen mir ihre Koffer. Ich bringe sie nach draußen In Ordnung?"
„Meinetwegen. Und weiter?"
„Sie gehen in die Toilette und ziehen sich um! Alles Erforderliche befindet sich in diesem Paket. Draußen erwarte ich Sie mit einem Ochsenkarren."
„Einem - was?"
Lemmy verzog das Gesicht. Er wirkte jetzt wie eine tragische Figur aus einem schlechten Theaterstück. „Ma'am, ich ersuche Sie um Verständnis. Leider ist die Welt schlecht, und die Mächte des Bösen lauern überall. Da ich nicht will, daß wir bedroht werden, halte ich es für besser, daß wir uns tarnen. Jetzt verstanden?“
„Ich glaube."
Sie blieb unschlüssig stehen. Lemmy händigte ihr das Paket aus, griff nach den Koffern und schritt mit schleppendem Gang davon. Maureen Hopkins blieb nichts anderes übrig, als die Toilette zu
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