084 - Im Schatten der Guillotine

die Kutschböcke und Ladeflächen.
    „Fertig?" rief der Professor.
    Er war auf den Bock von Dorians Gefährt geklettert.
    „Ja", gab Dorian zurück.
    Der Professor ließ die Peitsche knallen, und Argue und Lemmy, die die anderen beiden Sitze erklommen hatten, taten es ihm gleich. Ruckend setzten sich die Wagen in Bewegung. Die Ochsen - zwei pro Deichsel - waren mächtige Tiere mit weißen, feucht schimmernden Leibern. Sie bewegten sich behäbig. Die Räder der Karren knarrten.
    Das Geräusch der niedersausenden Guillotine blieb hinter ihnen zurück. Doch noch fast eine Stunde hörten sie es. Danach klang es in ihren Ohren nach, als wollte es sich für ewig in ihr Bewußtsein einprägen.

    Fred Archer kam zu sich. Er richtete sich verblüfft auf und zog sich langsam hoch. Erstaunt betrachtete er die beiden anderen Karren, sah Argue, Lemmy und Oshadogan und all die anderen vertrauten Gesichter. Brigitte Thomsen war auch aus ihrer Ohnmacht erwacht. Sie hatte den Kopf gegen Maureen Hopkins' Brust gelehnt und schluchzte. Für sie war der Schock am allergrößten gewesen.
    Der Privatdetektiv rief sich die Geschehnisse ins Gedächtnis zurück. „Dorian!"
    „Ich bin hinter Ihnen, Fred."
    Archer wandte sich um. Dorian saß neben Coco Zamis auf dem Boden der Ladefläche. Sie hielten sich umschlungen.
    „Was ist passiert, und wo in aller Welt stecken wir jetzt?"
    Dorian setzte ihm auseinander, was sich an der Guillotine zugetragen hatte. Archer fuhr sich mit den Fingerkuppen über die Lider, verzerrte das Gesicht und schüttelte den Kopf, als könnte er dadurch die Bilder des Grauens vertreiben.
    „Hafaliis Enthauptung löste die fürchterliche Kettenreaktion aus", erklärte ihm Dorian. „Im Moment seines Todes entwich magische Kraft aus seinem Leib. Dadurch wurde das Mordinstrument aufgeladen und erhielt die Ausstrahlung, die die Kolonisten in den Tod trieb."
    „Schrecklich!" sagte Archer.
    „Wir sind auf der Suche nach dem Tor der Dämonen, aber es scheint nicht mehr zu existieren." Dorian schickte einen Blick in die Runde. „Wir wissen nicht, ob wir das Totendenkmal jemals wiederfinden. Und noch schlimmer: Wir haben nicht den geringsten Schimmer, wo wir uns befinden."
    „Ich habe den Eindruck, wir sind im Kreis gefahren", teilte Coco ihnen mit.
    Der Professor erhob sich vom Kutschbock. „Ich sehe etwas! Alle anhalten!"
    Er zügelte die Ochsen, glitt erstaunlich gewandt vom Wagen und verschwand im düsteren Busch. Dorian Hunter eilte dem Professor nach. Fast stieß er mit ihm zusammen, als dieser wieder aus dem undurchdringlich verfilzt wirkenden Gestrüpp zurückkehrte.
    „Mr. Hunter. Sie werden es kaum glauben, aber wir stehen unterhalb der Höhle, die in das verborgene Tal führt."
    „Niemand will in die Okulationskolonie zurück", rief Lemmy, der die Worte mitbekommen hatte. „Fahren wir weiter - in entgegengesetzter Richtung."
    „Lieber Freund", sagte der Professor mit Würde, „Sie werden es wohl dem Dämonenkiller und mir gestatten, einen abschließenden Blick auf das Dorf zu werfen, in dem wir Erzieher immerhin Monate verbracht haben. Wer sich uns anschließen will - bitte."
    Oshadogan reckte den Kopf und hob gestikulierend die Hände. Dann verschwand sein Gesicht hinter der Wand seines Ochsenkarrens. Die anderen machten ähnlich abwehrende Gesten. Nur Fred Archer, auf einmal wieder sehr munter, schloß sich den beiden Männern an.
    Sie durchschritten die Höhle. Rötliches Licht fiel in den Gang. Dorian hatte wieder ein dumpfes Gefühl, das er jedoch nicht näher zu beschreiben wußte.
    Sie traten auf den bewachsenen Hang hinaus und sahen, wie ein greller roter Funke von einem Haus der Kolonie auf das andere übersprang. Fred Archer wollte nach unten laufen, doch Dorian hielt ihn zurück.
    „Nicht, Fred! Wir haben dort unten nichts mehr verloren."
    „Meine Güte! Ich dachte, das Stromaggregat war ausgeschaltet worden", sagte der Detektiv.
    „Ich glaube, der Lichtblitz hat einen weniger technischen Ursprung", sagte der Professor.
    Die Häuser waren nun ausnahmslos in Brand gesetzt. Binnen weniger Minuten waren nur noch schwelende Reste von der Siedlung übrig.
    „Ich wußte, daß ich noch einmal hierher zurückkehren würde", sagte der Dämonenkiller, „aber ich konnte nicht voraussehen, daß wir Zeugen dieses Vernichtungsaktes werden würden. Die Feuchtigkeit des Boden wird die Glut rasch auslöschen. Innerhalb der nächsten Tage wird das Tal zugewachsen sein. Keine Spur wird bald mehr darauf