084 - Medusenblick
Geschichte wahr sein.
Er suchte nach einem goldenen Mittelweg, um sein Gesicht nicht zu verlieren. Indessen schob Roderick Luxon den Arm in die Schlinge. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Es zuckte unkontrolliert in seinem Gesicht.
»Ist Ihnen nicht gut, Mr. Luxon?« fragte der Fahrlehrer besorgt.
Roderick Luxon stöhnte. »Meine Hand… Ich habe Schmerzen…«
»Aber das ist doch nicht möglich«, sagte der Polizeiarzt verwundert.
»Vielleicht verträgt er nicht, was Sie ihm gespritzt haben«, sagte Wasson.
»Dieses Serum verträgt jeder«, behauptete der Arzt.
»Luxon nicht, das sehen Sie ja.«
»Vielleicht haben Sie den Verband zu fest angelegt«, mutmaßte der Inspektor.
Schweiß glänzte auf Luxons Stirn. »Meine Hand«, röchelte er. »Ich verstehe das nicht. Was ist mit meiner Hand los?«
»Sie ist angeschwollen«, stellte Sterling Wasson fest. »Doktor, Sie müssen ihm den Verband abnehmen. Machen Sie schnell.«
»Diese Schmerzen, diese entsetzlichen Schmerzen«, gurgelte Luxon.
Ganz grün war sein Gesicht.
GRÜN!
»Schneiden Sie den Verband auf!« verlangte Sterling Wasson. »Beeilen Sie sich, Doktor!«
Der Polizeiarzt konnte die heftige Reaktion des Mannes nicht verstehen. Das Serum war allgemein sehr gut verträglich. Es war noch nie zu irgendwelchen unerwünschten Nebenwirkungen gekommen. Ob Luxon doch von einer Giftschlange gebissen worden war? Wirkte das Gift jetzt erst? Merkwürdig…
Der Doktor öffnete noch einmal seine Bereitschaftstasche, entnahm ihr eine schlanke Schere, deren einen Schenkel er unter den Verband schob, und dann schnitt er den weichen Stoff, der sich schon stark spannte, rasch auf.
Der Verband klaffte auf und fiel gleich darauf in Luxons Schoß - und zum Vorschein kam etwas, das alle Anwesenden verblüffte! Da, wo Roderick Luxon gebissen worden war, befand sich keine gewöhnliche Haut mehr, sondern… eine geschuppte Schlangenhaut.
***
Phorkys packte eine der Schlangen, die wie ekelerregendes Gewürm seinen Kopf bedeckten, und riß sie aus, wie man ein Haar ausreißt. Das Reptil wand sich um seine Tigerpranke und zischte aggressiv.
Der Vater der Ungeheuer pumpte das Tier mit schwarzen Kräften voll und legte es auf das Fensterblech. Das Höllenreptil kannte seine Aufgabe. Es wußte, was es tun mußte, und das Glas des geschlossenen Fensters vermochte es nicht davon abzuhalten.
Schlängelnd kroch das Tier darauf zu. Das Fensterglas schien nur noch aus Luft zu bestehen. Mühelos durchdrang der Schlangenkopf die Scheibe. Immer weiter schob sich das Reptil hinein. Hart spannte sich der Körper der Teufelsschlange. Waagerecht ragte sie in den Raum hinein.
Pater Severin war der Wirklichkeit so weit entrückt, daß er das klatschende Geräusch nicht hörte, mit dem die Schlange auf den Boden fiel. Er war zu sehr auf sein Tun konzentriert. Nichts war ihm im Moment wichtiger als dieser Exorzismus.
Phorkys blieb noch auf seinem Beobachtungsposten. Er wollte sehen, wie sich die schrecklichen Dinge entwickelten. Wenn Pater Severin sich umgedreht hätte, hätte er den Vater der Ungeheuer gesehen, doch der Priester war zu sehr mit der Teufelsaustreibung beschäftigt.
Die Schlange verkroch sich hinter einer alten Holztruhe. Das Leben wurde ihr hier drinnen nicht leicht gemacht. Im ganzen Raum hing schwerer Weihrauchgeruch, und der Schein der geweihten Kerzen wirkte auch abschreckend auf das Reptil.
Trotzdem blieb die Schlange nur kurze Zeit hinter der Truhe. Marbu hatte ihre Nähe wahrgenommen und lockte sie an. Es würde schwierig sein, bis zwischen die schweren Messingkerzenständer vorzudringen, doch die Höllenschlange zögerte nicht, auf dieses Ziel zuzukriechen, denn dort befand sich die andere schwarze Kraft.
Marbu erwartete sie zwischen den geweihten Kerzen!
***
»Phorkys in London?« knurrte Mr. Silver unangenehm berührt. »Kleiner, das gefällt mir aber ganz und gar nicht.«
»Wann wirst du aufhören, mich Kleiner zu nennen?« fragte Cruv verstimmt.
»Aber du bist doch klein - im Gegensatz zu mir.«
»Du bist nicht größer als ich, nur länger. Und ich habe einen Namen.«
»Sind alle Gnome wegen jeder Kleinigkeit gleich eingeschnappt, oder bildest du eine unrühmliche Ausnahme?« wollte Mr. Silver wissen.
»Haben wir so viel Zeit, daß wir so lange diskutieren können?«
» Ich hab' damit nicht angefangen.«
Der häßliche Gnom seufzte geplagt. »Mußt du immer das letzte Wort haben?«
Der Hüne grinste. »Wie kann ich wissen, daß du
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