084 - Medusenblick
warnen.
Zusammenbleiben konnten Boram, Cruv und Mr. Silver vorläufig nicht.
»Ich übernehme die Augenzeugen«, sagte Mr. Silver.
»Ich Tony und den Priester«, sagte Cruv.
»Bleibt für mich Phorkys«, sagte Boram, der Nessel-Vampir, mit seiner hohlen, rasselnden Stimme.
»Wir treffen uns später alle im Pfarrhaus«, bemerkte der Ex-Dämon. »Macht es gut, Jungs«, sagte er betont jovial und so menschlich, wie es sonst nicht seine Art war. »Haltet die Augen offen und die Ohren steif.«
Cruv stieg in den Rolls-Royce. Es war ein Rätsel, wie er mit seinen kurzen Beinen mit den Pedalen klarkam, aber irgendwie schaffte er das.
Er fuhr los. Mr. Silver wies auf Tony Ballards schwarzen Rover und sagte zu Boram: »Steig ein!«
Der Nessel-Vampir setzte sich auf den Beifahrersitz, und Mr. Silver schwang sich hinter das Volant. Unterwegs hielt er kurz an und ließ den weißen Vampir aussteigen.
»Mach mir keine Schande!« rief ihm der Hüne zu und grinste. »Solltest du Phorkys irgendwo aufstöbern, sei vorsichtig. Der Bursche ist gefährlicher als die Gegner, mit denen du es bisher zu tun hattest.«
»Ich kann mich auf ihn einstellen«, behauptete die Dampfgestalt.
»Aber du hast einen schwachen Punkt«, sagte Mr. Silver. »Du kannst Hitze nicht vertragen. Wenn Phorkys das herausfindet, bist du verloren. Also sei auf der Hut.«
Der Nessel-Vampir nickte, und Mr. Silver setzte die Fahrt fort.
***
Kriechend, sich windend und vorwärtsschiebend näherte sich die von Phorkys losgeschickte Schlange dem Mann, den Marbu in Trance versetzt hatte: Tony Ballard!
Der Dämonenjäger regte sich nicht. Er hatte keine Ahnung, was passierte. Nach wie vor lag er wie tot auf dem Boden, war eingehüllt in dieses schützende Marbu-Grau, das Pater Severin bis jetzt noch nicht auflösen konnte.
Keinen Schritt war der Priester bis jetzt weitergekommen. Der Marbu-Geist war zäh und hartnäckig, und er schien bisher alles, was Pater Severin gegen ihn unternommen hatte, gut verkraftet zu haben.
Aber der Pfarrer war mit seinem Latein noch nicht am Ende. Immer neue Register zog er. Immer entschlossener rückte er dem schwarzen Gift zuleibe.
Es muß gelingen! sagte er sich. Es muß!
Und wieder forderte er das Böse in Tony Ballard mit alten Sprüchen, denen ein hoher Grad an Wirksamkeit nachgesagt wurde, entschlossen heraus.
Ohne daß es der hünenhafte Pater bemerkte, erreichte die Phorkys-Schlange das von den Kerzenständern bezeichnete »weiße Feld«. Einmal zuckte sie kurz zurück, als sie die starken Kräfte des Lichts spürte, die auf Tony Ballard einwirkten, aber dann kroch sie weiter, denn sie mußte sich mit Marbu vereinigen.
Das Grau der anderen Kraft befand sich nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt. Sie kroch schneller, streckte sich dem Marbu-Geist entgegen, tauchte in ihn ein und löste sich darin auf.
Die Kraft der Phorkys-Schlange vermischte sich mit der starken Marbu-Energie. Das Höllenreptil zog schwarze Kräfte aus dem Körper des Mannes ab, so, wie Phorkys es erwartete. Die Schlange band die befreundete Energie an sich, und ein neues, schreckliches Wesen entstand.
Es schien über Tony Ballard zu liegen. Ein grauenerregendes Weib war es, alt, häßlich, schlangenhäuptig - eine Gorgone!
***
Die Schmerzen ließen nach, und Roderick Luxon wurde ruhig. Er hockte in der Ausnüchterungszelle auf einem Stuhl und versuchte sich zu erinnern.
Es gab eine Lücke in seinem Gedächtnis. Da war dieses Ungeheuer gewesen, das er gestellt hatte, und als er dem Monster die Decke vom Kopf gerissen hatte, war er von einer Schlange gebissen worden. Und dann… Polizeirevier, Inspektor Bogarde, der ihm kein Wort glauben wollte, der Polizeiarzt, der sich um die Bißwunde gekümmert hatte.
Und dann war alles hinter einer Wand aus furchtbaren Schmerzen versunken. Dunkel erinnerte sich Luxon, daß eine Schlangenhaut seine Hand bedeckt hatte.
Oder hatte er sich das nur eingebildet?
Er hob die Hand und betrachtete sie. Natürlich hatte er sich das nur eingebildet. Die Hand sah aus wie immer. Wie sollte er auch zu einer Schlangenhaut kommen?
Nicht einmal die Bißwunde war mehr zu sehen. Das fand Luxon zwar eigenartig, aber er machte sich deswegen keine Gedanken. Was ihm schon eher Sorgen machte, war der Umstand, daß er sich hinter Gittern befand.
Was fällt denen ein? dachte er empört. Wie können sie es wagen, mich einzusperren? Ich bin doch kein Verbrecher.
Er sprang auf, war ein bißchen schwindelig, schwankte und
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