0840 - Siegel der Rache
sich ihren Spaß mit ihm machen wollten. Nie hätten die Bullen die Woleurs erwischt. Ganz sicher nicht. Nur diese beiden Idioten hatten alles kaputt gemacht. Die Freiheit, für die Carl Serou in seiner Funktion problemlos hatte sorgen können, die Beutezüge, der Spaß… alles vorbei.
Dieser Kerl hatte Rat umbringen wollen, so wie er ihn. Das konnte der Junge dem Mann nicht einmal verübeln. Die Kugeln waren nur um Haaresbreite zu Fahrkarten geworden; Rat fühlte den heißen Bleiatem noch deutlich. Er war sich sicher, dass er seinen Verfolger nicht mehr abschütteln konnte.
Nicht noch einmal. Natürlich war Rat schnell, doch langsam fühlte er, dass seine Beine nicht mehr so richtig wollten. Dieses Rennen musste er am Ende verlieren.
Links, wieder links, dann rechts… er bremste seinen Lauf heftig ab. Ein Gitter, verdammt! Ein Belüftungsschacht - er hatte einen Fehler begangen. Rat hörte Stimmen, verhielt sich ganz ruhig und wagte kaum zu atmen.
Zwei schwer bewaffnete Polizisten liefen keine zwei Meter entfernt an ihm vorbei. Nur das dünne Drahtgitter trennte Rat von ihnen. Wenn nur einer der beiden einen Blick nach rechts werfen würde… Aber sie gingen weiter, sprachen leise miteinander. Rat atmete tief durch, zog sich rückwärts kriechend aus der Sackgasse zurück.
Er hetzte weiter, als er endlich wieder im Quergang war. Das hatte Zeit gekostet; sein Vorsprung musste beinahe dahin sein. Rechts, links… er hatte längst keinen Schimmer mehr, wo er sich befand. Irgendwie musste er es schaffen, zurück an die Oberfläche zu kommen. Zum ersten Mal fühlte er sich hier unten nicht mehr im Vorteil. Der Typ hinter ihm war kein normaler Mensch, er war besessen. Rat konnte das deutlich spüren, auch wenn er dafür keine Erklärung hatte.
Dieser ganze Aufstand wegen eines Buches? Das war nicht normal. Oder wollte der Kerl sein Handy zurück? Verdammt, dann sollte er es sich nehmen und verschwinden.
Das grelle Licht sprang ihn förmlich an. Rat hatte keine Chance, sich noch einmal umzuorientieren. Zurück konnte er nicht mehr, und zu beiden Seiten führte keine Abzweigung weiter. Es half alles nichts. Rat lief weiter, verlangsamte seine Schritte. Wo war er hier gelandet?
Schnell jetzt, keine Zeit verlieren, denn sein Jäger war ihm dicht auf den Fersen. Er stand in einer Halle, erhellt von unzähligen Neonleuchten, ausgekleidet mit weißen Kacheln - und dort, am anderen Ende, war eine Treppe, die nach oben führte!
Er aktivierte noch einmal all seine Energiereserven, hetzte los, als der heiße Biss in seinen rechten Oberschenkel fuhr. Ein Biss von bleiernen Zähnen.
Rat stürzte, überschlug sich mehrfach, bis er endlich auf dem glatten Kachelboden rücklings zum Liegen kam. Warum hatte er ihn nicht getötet? Sicher hätte er es gekonnt, denn Rat hatte eine prächtige Zielscheibe abgegeben.
Die Antwort erhielt er schnell - der Mann sprang auf Rats Körper, machte den Jungen so endgültig bewegungsunfähig. Die Kugel in seinem Bein schmerzte nicht einmal. Wahrscheinlich wog die Todesangst den Schmerz ganz einfach auf und neutralisierte ihn.
Der kalte Lauf der Waffe presste sich hart gegen Rats Stirn. Wie oft hatte der Junge sich früher beinahe gewünscht, dass so etwas einmal passieren würde? Es gab kaum einen Grund für den verunstalteten Rat, besonders fest an diesem Leben zu hängen. Doch jetzt sah das anders aus, ganz anders. Hier und jetzt wollte er noch nicht sterben.
Die Stimme des Mannes, dessen Namen Rat nicht einmal kannte, klang gepresst und voller Hass. »Du weißt ja nicht, was du mir genommen hast, Dreckskerl. Dafür sollst du Schmerzen erleiden, die du dir nicht einmal vorstellen kannst.« Der Mann war so in Rage, dass Geifer aus seinem Mund lief. Selbst Rat hatte so gebündelten Hass noch nie zuvor mit seinen Augen sehen können. Das war mehr als Besessenheit, die da aus seinem Peiniger sprach. »Ich werde dich ganz langsam umbringen, du Missgeburt, aber zuerst wirst du mir sagen, wo das Buch ist. Spuck es aus! Jetzt!«
Rat zittere am ganzen Körper. Das waren keine leeren Drohungen. Und er war hilflos, vollkommen hilflos. Vielleicht konnte er den Mann irgendwie beschwichtigen.
»Ich sage Ihnen ja alles was Sie wissen wollen«, versprach er. »Aber bitte, ich bin doch nicht der Boss der Bande, ich musste doch gehorchen.«
Die Kälte in den Augen des anderen zeigte ihm deutlich, dass er auf keine Gnade zu hoffen hatte. »Du hast es gestohlen, und ich werde…«
»Zamorra!« Die
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