0842 - Der Sternensammler
Fragen, die dich bewegen, Dalius Laertes, Besucher aus einer der Spiegelwelten. Ja, auch das weiß ich natürlich. Warum? Weil ich deinen hiesigen Doppelgänger eigenhändig aus dieser Welt befördert habe. Er war mir lästig geworden, stellte andauernd Fragen… ganz wie du. Ja, er war in meinen Diensten. Und auch er suchte Erkenntnisse aus einer Zeit, die lange vergangen ist.«
Dalius Laertes spürte die Unruhe, die ihn überfallen hatte. Er musste versuchen, die Situation wieder in die Bahnen zu lenken, die ihm Vorteile bringen konnten.
»Ich gebe zu, dass ich ein wenig überrascht bin, dich in der Spitze der Schwarzen Familie zu finden, Tan Morano. In der Welt, aus der ich stamme, hat dein Pendant solche Verantwortung stets von sich gewiesen. Wer sind deine Mitstreiter im Machtbereich auf dieser Welt? Oder willst du das nicht sagen?«
Tan Morano - wie die Spiegelwelten sich doch trotz aller Affinitäten voneinander zu unterscheiden vermochten. Der uralte Vampir schien zumindest vom gleichen Typus zu sein, wie sein Zwilling auf der Erde. Laertes war jedem modischen Trend abgeneigt - auch er war ein Schöngeist, wenn es um Kunst und Lebensweise ging, doch Morano war von einem anderen Schlag. Seine Kleidung, sein gesamtes Auftreten, waren schierer Lifestyle. Das war hier nicht anders. Der Vampir hätte direkt einem Modemagazin entsprungen sein können.
»Warum nicht?« Morano gab sich süffisant. »Wem sollte es schaden, wenn ausgerechnet du es weißt? Aber Mitstreiter wäre wohl übertrieben. Ich dulde sie noch. Rofocale und Stygia - der KAISER selbst hat uns hierher geschickt, da konnte ich schlecht ablehnen.« Er machte eine alles umfassende Handbewegung. »Ich hätte es liebend gerne abgelehnt. Doch nun muss ich sehen, wie ich es mir so gut wie nur möglich hier einrichte. Auf einer Welt voller minderwertiger Wesen - Menschen wie Dämonen, Vampire… such es dir aus, Laertes. Ich nehme keinen von ihnen aus. Nur durch Macht kann ich diesen Irrsinn für mich erträglich machen.«
Laertes sah eine dekadente Version des Tan Morano vor sich. Zynisch, selbst verliebt, skrupellos.
»Was soll hier nun geschehen?« Es war nur ein Versuch, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, Zeit zu gewinnen.
Morano zuckte die Schultern.
»Diesen Bereich werden wir aufgeben. Die Zerstörungen sind zu groß -die Erde ist riesig, was schert mich da ein so winziger Bezirk? Aber es wird einen Gegenschlag geben. Geballte Magie, die den Gegner aus dem Weltraum seine Grenzen weisen sollte. Die Dynastie hat nur eine winzige Schlacht gewonnen, den Krieg gewinnen wir.«
Morano sah sich um. Dann schien er sich entschieden zu haben.
»Ich sollte dem Sammler noch einen Besuch abstatten. Würde mich interessieren, ob die Dynastie kurzen Prozess mit dem Kollaborateur gemacht hat. Ein unangenehmer Bursche. Wäre mir ganz lieb, wenn sie mir eine Arbeit abgenommen hätten. Hier gibt es jetzt nur noch eine Sache für mich zu tun.« Er lächelte Laertes freundlich zu. »Du bist jetzt leider vollkommen überflüssig. Du störst nur noch, bester Dalius. Ach ja, es spielt ja nun eigentlich keine Rolle mehr, aber ich hätte dir durchaus einiges zu berichten… über dich, über deine Ankunft auf dieser Welt.« Morano lachte amüsiert auf. »Aber wozu die Mühe machen? Mir fällt da eben ein, dass ich schon lange keinen Vampir mehr aus seinem Dasein befreit habe. Vielleicht bringt mir das nun ein wenig Abwechslung?«
Dalius Laertes fühlte sich so hilflos, so vollkommen ausgeliefert, wie noch selten zuvor. Er sah zu, wie Morano den mit Schnitzereien überzogenen Spazierstock, den er wie ein Dandy überflüssigerweise trug, mit einer kurzen Drehbewegung in seiner Mitte teilte.
Das Ende der oberen Hälfte war unter dem Gewinde spitz zulaufend.
»Die klassische Methode, lieber Dalius. So entledigt man sich seit ewigen Zeiten der Kinder der Nacht… schau mich nicht so ungläubig an. Oder hast du gedacht, ich hielte mich an den Ehrenkodex, nachdem kein Vampir den anderen töten darf? Aber, aber…«
Laertes schloss die Augen. Hilflos, machtlos… so hatte er nie enden wollen.
»Sollte ich da nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden haben?« Die Frauenstimme klang schrill, hektisch und unbeherrscht auf. Laertes war kein besonders guter Kenner der Hierarchie der Schwarzen Familie, kannte viele der führenden Wesen in den Schwefelklüften kaum, manche überhaupt nicht. Doch diese Stimme war so einzigartig in ihrem Timbre, dass sie nur einem Wesen
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