0845 - In der Gewalt der Shariden
vierzig Jahre. Dennoch ging er gebeugt, als trage er die Last von Jahrhunderten.
***
Kaum verließ Kommissar Rolf Ekman den Verhörraum, klingelte sein Handy.
Er fischte es aus der Jackentasche, nahm das Gespräch entgegen und brummte seinen Namen. Ihm war nicht nach Telefonieren zumute. Er musste nachdenken, und die Störung ärgerte ihn. Es musste irgendetwas geben, irgendein Detail, das er übersehen hatte und das eine Spur zu dem unbekannten Killer öffnete. Und zu dem, was er seinen Opfern angetan hatte.
»Pernilla Endre«, meldete sich eine Stimme, die Ekmans Laune schlagartig um fünfzig Prozent aufhellte. »Sie wissen, wer ich bin?«
»Natürlich, Pernilla! Sie und Ihr Kollege haben mir diesen Ärger doch erst aufgehalst.«
»Tut mir leid, aber…«
»Vergessen Sie's!« Der Kommissar erlaubte sich ein Grinsen - seine Gesprächspartnerin konnte es schließlich nicht sehen.
Pernilla Endre war unter allen Kollegen im Umkreis von mindestens hundert Kilometern bekannt wie ein bunter Hund, der Rilke zitieren konnte. Sie war nicht nur die jüngste Absolventin der Polizeischule seit wenigstens einem Dutzend Jahren, sondern auch die Schönste. Ihre knackigen Kurven waren ebenso legendär wie ihre Standhaftigkeit - schon so mancher Kollege hatte sich an ihr die Zähne ausgebissen. Sie und ihr beneidenswerter Dienstpartner hatten Dolf Hellstrom in Petréns Landhaus festgenommen und den Fund der unerklärlichen Leichen der übergeordneten Dienststelle gemeldet.
»Es dreht sich um die Leichen, Kommissar.«
Von mir aus hättest du mich auch zum Abendessen einladen können, aber diese Hoffnung wird sich wohl nie erfüllen. »Gibt es etwas Neues? Haben die Mediziner endlich vernünftige Ergebnisse erzielt?«
»Darüber weiß ich nichts«, erwiderte Pernilla.
»Aber?«
»Aber mir gegenüber sitzen zwei Herren und eine Dame, die angeblich mehr über den Fall wissen. Sie behaupten, den Zustand der Leichen erklären zu können.«
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Ekmans Gedanken rasten. Hatten sie es mit Spinnern zu tun, die sich wichtig machen wollten? Das konnte nicht sein - die Öffentlichkeit wusste noch nichts von den Leichenfunden. Woher also konnten Pernillas Besucher ihre Informationen bezogen haben? Standen sie mit seinem Gegner in Verbindung? Wussten sie gar, um wen es sich handelte?
»Ich mache mich sofort auf den Weg«, versicherte er.
***
Professor Zamorra saß zwischen Nicole und Sid Amos auf Besucherstühlen in einem Dienstzimmer der Polizeistation des schwedischen Dorfes, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Das ganze Revier bestand aus einem Empfangsraum, der direkt von der Straße her betreten werden konnte, und zwei separaten Büros, die von dem Empfangsraum abzweigten.
Der ehemalige Höllenfürst hatte sie mit seiner speziellen Art der Teleportation nach Schweden transportiert, ganz in die Nähe der Polizeistation. »Die letzten Meter müsst ihr aus eigener Kraft zurücklegen«, hatte er gesagt. »Wenn wir direkt dort drin aufgetaucht wären, hätte das für zu viel Aufregung gesorgt.«
Jetzt saßen sie einer überaus reizenden jungen Polizistin gegenüber. Der Meister des Übersinnlichen kam nicht umhin, jede ihrer Bewegungen zu verfolgen - was wiederum zur Folge hatte, dass Nicole jede seiner Bewegungen mit Argusaugen beobachtete.
Pernilla Endre legte gerade den Hörer des altmodischen Telefons auf, das unglaublicherweise noch über eine Wählscheibe verfügte, was nicht gerade dafür sprach, dass sich die Ausrüstung der hiesigen Polizei auf dem neuesten Stand der Technik befand.
»Kommissar Ekman wird sich sofort auf den Weg machen«, informierte sie die Besucher. »Er hat mit einem Gefangenen im Gefängnis gesprochen, das sich etwa eine halbe Autostunde entfernt in Karlskoga befindet.«
Amos verschränkte die Hände im Nacken. »Und?«
Die Polizistin sah ihn verwirrt an. »Und was?«
»Wie hat er reagiert?«
»Er war interessiert an dem, was Sie zu sagen haben werden«, antwortete sie diplomatisch. »Genau wie ich. Ich habe die Leichen gesehen, und ich kann mir nicht vorstellen, was sie in diesen Zustand versetzt haben könnte. Was ist dort vorgefallen?«
»Auch wenn es mir schwer fällt, Ihnen einen Wunsch abzuschlagen, meine Schöne«, antwortete Amos galant, »so möchten wir doch auf Ihren Chef warten.«
»Die Avancen können Sie sich sparen«, erwiderte Pernilla schnippisch. »Ob Sie es glauben oder nicht, es gefällt mir nicht, wenn ich wie ein hübsches
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