0845 - In der Gewalt der Shariden
wird schon wieder. Ich habe noch anderes zu tun.«
Der Arzt verdrehte die Augen. »Ich hasse uneinsichtige Patienten«, brummelte er in seinen Bart, der Kinn und Wangen vollständig bedeckte und länger als das spärliche Haupthaar war.
Angesichts der Verwüstung und der schleimigen Überreste, die er mit eigenen Augen sah und die sich nicht wegdiskutieren ließen, sah er jedoch ein, dass hier etwas vorgefallen war, das er nicht verstand, und mit dem er möglichst wenig zu tun haben wollte. Also kümmerte er sich um seinen anderen Patienten.
Mit jeder Minute, die verging, fragte sich Zamorra, was wohl aus Sid Amos geworden war, der den flüchtenden Shariden verfolgte.
***
Der Ex-Teufel eilte hinter dem flüchtenden Dämon her.
Er hätte den Shariden längst vernichten können, aber das lag nicht in seiner Absicht. Die Kreatur sollte ihm noch dienlich sein.
Es ärgerte ihn maßlos, dass Kelvo offenbar einen Krieg gegen Zamorra - und damit momentan auch gegen ihn - ausgerufen hatte.
Nach den Vorfällen in Deutschland im Haus der getöteten Sandra Berg nun auch noch die Attacke auf das Polizeirevier… Kelvo legte es mit allen Mitteln darauf an, seine Feinde zu vernichten.
Der ehemalige Höllenfürst zollte ihm widerwillig Respekt. Kelvo ging zielstrebig und knallhart vor, eine Eigenschaft, die manchen Dämonen heutzutage fehlte.
Schon als er noch als Asmodis auf dem Höllenthron gesessen hatte, hatten manche Höllische lieber intrigiert und Pläne geschmiedet, als direkt und kompromisslos zuzuschlagen. Seit Asmodis abgedankt und Stygia seine Nachfolge angetreten hatte, hatte sich diese Tendenz noch weiter verstärkt. Zumindest stellte es sich ihm als Beobachter von außen so dar.
Der Schleimdämon hinterließ eine glänzende Spur wie eine Nacktschnecke. Nach einigen Sekunden zogen sich die Absonderungen zusammen und rollten als glänzende Perlen über den Boden - hinter dem Shariden her, um sich wieder mit seiner Körpermasse zu vereinigen.
Erstaunlicherweise war kaum jemand auf den Straßen des schwedischen Dorfes unterwegs. Sid Amos fragte sich, ob es sich dabei um einen glücklichen Zufall handelte, oder ob Magie im Spiel war. Ihm kam es gelegen; jeder Mensch, der den Shariden gesehen hätte, wäre zu einem nicht zu überschätzenden Problem geworden.
Die dämonische Dienerkreatur hatte den eigentlichen Ortskern inzwischen verlassen und tappte über ein frei liegendes Feld.
Amos hielt die Entfernung.
Sollte sich der Sharide nur sicher fühlen. Was hatte er vor? Wollte er sich mit weiteren Artgenossen treffen? Oder seinem Herrn Bericht erstatten?
Wenn sich auf diese Art Gelegenheit bot, zu Kelvo vorzudringen, würde Amos sie sofort ergreifen. Ob Zamorra und Duval dabei waren oder nicht, spielte letztendlich nicht die ausschlaggebende Rolle.
Allerdings musste er vorsichtig sein. Kelvo besaß die Möglichkeit, Dimensionstore zu öffnen - und er hatte irgendwo aller Wahrscheinlichkeit nach ein solches für seine Diener installiert. Wenn der Sharide es passierte und es danach kollabierte, verlor Amos die Spur.
Und obwohl es die innerste Überzeugung des ehemaligen Höllenfürsten war, dass jederzeit mit etwas Schwund gerechnet werden musste, war er nicht bereit, diesen Schwund zu akzeptieren.
Also schloss er jetzt doch näher zu dem Shariden auf und bemühte sich nicht länger, leise oder unauffällig zu sein.
Die Dienerkreatur bemerkte ihn mit einigen Augen, die sich am Hinterkopf befanden und fuhr herum. »Du!«
»Du wirst mir Rede und Antwort stehen!«, forderte Amos.
Die Tentakel zuckten, die fleischigroten Muskelstränge bebten. Die Augen wanderten mit schmatzenden Lauten über die Kopfsektion des unförmigen Monstrums und ordneten sich ringförmig an. »Oder was?«
»Oder ich werde dich vernichten.«
»Eine Handlungsweise, die einem-Verräter gebührt! Der ehemalige Höllenfürst vernichtet grundlos Dämonen.«
Amos lachte. »Einst habe ich euren vogelfreien Status aufgehoben. Vielleicht hätte ich es nicht tun, sondern zulassen sollen, dass ihr restlos ausgerottet werdet! Es hätte mir heute eine Menge Ärger erspart.«
»Du hast uns überhaupt erst zu Freiwild gemacht.« Der Hass in der Stimme des Shariden war unüberhörbar. »Deinetwegen starben so viele meiner Artgenossen, dass ihre Todesschreie noch heute im kollektiven Bewusstsein nachhallen.«
»Du wählst mutige Worte, Sharide«, meinte Amos abfällig. »Aber du irrst dich. Nicht ich bin daran Schuld, dass ihr vogelfrei wurdet.
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