0846 - Im Namen des Leibhaftigen
geschehen? Daß er mitten in der Nacht erwachte, mußte seinen Grund gehabt haben. Ohne ein Motiv wurde er niemals aus dem Schlaf gerissen.
Cabal stand nicht auf. Er kümmerte sich nicht um seinen Körper. Wichtig war das Gehirn. Es arbeitete, es funktionierte, es dachte nach, es mußte eine Botschaft bekommen haben, die ihn aus traumatischen Tiefen hervorgerissen hatte.
Cabal war hellwach.
Seine Zunge bewegte sich im Mund, ohne dort zu bleiben, denn sie durchdrang den Spalt zwischen den Lippen, und dicker, feuchter Schleim trat hervor.
Er bewegte die Augen. In seiner Kehle saß etwas fest, das er als Druck ansah. Kälte hielt ihn erfaßt und rieselte über seinen gesamten Körper. Der Druck in seinem Kopf nahm zu. Er überlegte, er dachte nach, aber seine Gedanken streiften ins Leere. Es war niemand vorhanden, der ihm eine Botschaft gab.
Trotzdem mußte etwas passiert sein.
Cabal wartete und hoffte darauf, daß ihn abermals eine Botschaft erreichte, diesmal aber würde er hellwach sein und sie genau unter die Lupe nehmen.
Nichts passierte.
Die Zeit glitt dahin.
Sie war wie ein Fluß, den er nicht aufhalten konnte. Er wußte auch nicht, wie lange er wach lag und nachdachte, aber er war davon überzeugt, daß er nicht im Stich gelassen worden war.
Shango!
Zuerst dachte er den Namen nur, dann flüsterte er ihn, und er sprach dabei jeden Buchstaben deutlich aus.
Sein Bruder würde kommen. Sein Bruder hatte ihn geweckt. Es war eine Botschaft gewesen, nun wußte er es überdeutlich, und er kannte auch Shango. Der würde sich mit der einen Botschaft nicht zufriedengeben. Er würde versuchen, eine weitere zu senden, und darauf genau wartete Cabal.
Sie traf ihn.
Es war der Schmerz in seinem Hirn, der ihn erwischte. Dieses verdammte Feuer, das durch den Kopf jagte und sich ausbreitete wie ein Netz. Aus der liegenden Position schnellte Cabal hoch. Hätte er sich jetzt im Spiegel gesehen, hätte er sein von Entsetzen gezeichnetes Gesicht sehen können, aber er sah sich nicht. Cabal war zu einem Teil der Dunkelheit geworden, allerdings zu einem Part, der lebte.
Wieder der Stich.
Er zuckte durch seinen Kopf, als wollte er ihn in mehrere Teile spalten.
Cabal hatte Mühe, Luft zu bekommen. Er atmete mit offenem Mund, er saugte die schlechte Luft zwischen den Wänden in sich hinein, er trank sie wie Wasser.
Was war passiert?
Das ruhige Sitzenbleiben gelang ihm nicht mehr. Seine Handflächen glitten über die schmutzige Decke hinweg, sie knüllten den Stoff zusammen, und er stellte sich dabei vor, daß es die Hälse eines Menschen waren. Irgend etwas mußte mit seinem Bruder geschehen sein. War er gefangengenommen worden? Hatte er ihm deshalb einen Hilfeschrei geschickt, oder was war mit ihm passiert.
Kontakt!
Cabal brauchte den Kontakt, und er hoffte, daß es sein Shango beim zweiten Versuch schaffte.
Aber dieser Schmerz in Cabals Kopf war so anders gewesen. Als hätte er die Folter und Qualen seines geliebten Bruders mitbekommen. Wenn das stimmte, mußte Shango angegriffen worden sein.
Wer steckte dahinter? Wer von den verdammten Menschen hatte die Macht, so etwas zu tun?
Wieder erwischte es ihn, wieder krümmte er sich. Diesmal nicht so stark, denn der erneute Kontakt fiel bereits in die Normalität. Shango wollte etwas von ihm und würde sich auch melden.
›Cabal…‹
Die Augen des Angesprochenen leuchteten auf. Er hatte den Bruder erkannt, Shango lebte also noch, nur war sein Ruf ziemlich schwach gewesen. ›Ich höre dich…‹
›Das ist gut.‹
›Was ist geschehen?‹
›Jemand ist da.‹
Schweigen, keine weitere Erklärung mehr. So konnte der Gefangene nachdenken, und es waren keine positiven Gedanken, die ihm durch den Kopf streunten. ›Von wem… wen meinst du?‹
›Ein Fremder. Ich habe ihn gespürt. Ich bekam Kontakt. Er ist anders als die normalen Polizisten.‹
›Wie denn?‹
›Er besitzt etwas, das uns gefährlich werden kann. Eine Waffe, mit der wir nicht gerechnet haben.‹
›Kannst du sie erklären?‹
›Nein, das kann ich nicht. Ich spürte sie nur. Ich wollte sie zerstören, aber sie hielt stand. Die Waffe hielt mir und auch der Kraft unseres Götzen stand.‹
›Was ist mit dem Mann?‹
›Er lebt noch.‹
›Kennst du seinen Namen?‹
›Nein, aber die Kraft meines Kontakts schleuderte ihn zu Boden. Er war ebenso überrascht wie ich.‹
Cabal mußte erst nachdenken. Es fiel ihm schwer, weil einiges durch seinen Kopf jagte. ›Ich kann dir nicht helfen, Bruder.
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