0848 - Der alte Mann verfluchte mich
Fernlicht weit hinein in die Nacht leuchtete.
Mit vorsichtigen Schritten machte ich mich an den Abstieg. Erst als ich auf der Straße stand, das Fernlicht gelöscht hatte und mich gegen den Rover lehnte, fing ich an, über das Erlebte nachzudenken.
Ich hatte nicht nur die Zwerge gesehen, mir war auch der alte Mann aufgefallen.
Sein Bild war in meiner Erinnerung festgeleimt. Ich versuchte mich an den Ausdruck seines Gesichts zu erinnern, dabei kamen mir mehrere Begriffe in den Sinn.
Wissend, listig, aber auch kalt und gefährlich.
Eine seltsame Person und nicht der Schäfer, zu dem ich wollte. Jetzt noch mehr als zuvor.
Ich setzte mich wieder hinter das Lenkrad. Die Kopfschmerzen ließen sich ertragen. Zudem hatte ich keine Zeit, mich auf sie zu konzentrieren, andere Dinge waren viel wichtiger geworden.
Langsamer fuhr ich weiter. Die Straße senkte sich etwas, eine breite Kurve tauchte vor mir auf.
Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich den Schäfer vor dieser Kurve getroffen.
Hoffentlich war er noch da. Er hatte an seinem Wagen herumrepariert und irgend etwas mit den Rädern gemacht.
Ich sah ihn nicht, aber ich hörte das Blöken der Schafe, die rechts der Straße auf einem großen Stück Weide standen und das Gras rupften. Der Rover fuhr langsamer, ich schaute nach rechts, schaltete noch einmal das Fernlicht an, dann sah ich ihn.
Der Mann stand am Straßenrand, als hätte er nur auf mich gewartet. Er hob sogar den Arm, als er in das grelle Licht geriet. Ich schaltete es ab und auch aus, als ich neben dem Schäfer stoppte.
Ich stieg aus.
Er trat zurück, um nicht von der aufschwingenden Tür getroffen zu werden. Er stellte keine Frage, doch ich sah seinem Gesicht an, daß er wissen wollte, wie es mir ergangen war.
Ich drückte die Tür zu.
»Können wir reden?« fragte ich.
Er hob die Schultern. »Wo?«
»Sie sind Schäfer und naturverbunden. Trotzdem denke ich, daß Sie eine feste Behausung haben.«
»Das stimmt.«
»Können wir dorthin gehen?«
»Wenn Sie wollen.«
Ein Hund rannte herbei und schmiegte sich an die Beine seines Herrn. Es war ein Labrador, ein schönes Tier, das mich aus seinen klugen Augen beobachtete.
»Ich gehe vor.«
»Bitte.«
»Ach so, ich wollte Ihnen noch meinen Namen sagen. Ich heiße Calvin Crichton, du kannst mich aber Cal nennen. Hier duzen wir uns alle.«
»Ich bin John.«
»Und weiter?«
»Sinclair.«
»Hört sich schottisch an.«
»Ist es auch.«
»Das ist gut«, sagte er. »Ein Schotte ist besser als ein Engländer. Die mögen wir hier nicht.«
»Klar.« Ich wußte, daß die Waliser anders waren. Wenn es ihnen möglich gewesen wäre, hätten sie sich vom Mutterland getrennt, aber das ging nicht. So versuchten sie, innerhalb der Gemeinschaft ihre Eigenständigkeit zu bewahren.
Cal war kein alter Mann, auch wenn er durch seinen Vollbart älter wirkte als ich. Bart und Haare wuchsen bei ihm an den Seiten zusammen. Er war nicht eben dick, vielleicht sogar zu mager, und seinen Kopf zierte eine Wollmütze. Die Augen blickten klar, und die breite Nase zeigte ein wenig nach oben, so daß die Nasenlöcher inmitten des Bartgestrüpps auffielen. Er trug einen Poncho als Mantel und hatte auch seinen Schäferstock nicht vergessen. So ging er vor mir her, leicht gebückt und begleitet von seinem Labrador Rocky. Das Haus des Schäfers war teilweise aus Steinen und teilweise aus Holzstämmen gebaut worden. Es schmiegte sich gegen einen Hang, stand auch in einer Senke, und eine Mauer schützte den Vorgarten vor allzu starkem Wind. Die Tür war nicht abgeschlossen. Ich mußte mich ducken, als wir das Haus betraten, Calvin konnte normal hindurchgehen.
»Willkommen in meinem Zuhause!« Er grinste mich an. »Ich habe sogar Licht. Der Generator steht in einem kleinen Anbau. Soll ich es einschalten, oder verlassen wir uns auf den Schein der Kerzen?«
»Kerzenlicht ist gemütlicher.«
»Einverstanden, setz dich.«
Ich nahm an dem klobigen Holztisch Platz, zu dem auch die Eckbank paßte.
Dieser eine Raum machte einen gemütlichen Eindruck. Als Crichton drei Kerzendochte angezündet und seinen Hund als Wächter nach draußen geschickt hatte, damit er die Kontrolle über die Schafe behielt, holte er eine Flasche Schnaps, Brot und Speck. »Wenn du Hunger hast, dann iß.« Ein Messer legte er mir ebenfalls hin, dann setzte auch er sich und holte aus seinem Mantel eine krumme Pfeife und ein Päckchen Tabak. Im Hintergrund sah ich ein Regal, einen Ofen aus Stein, in dem noch
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