0849 - Schattengesicht
wirklich nicht so gut.«
»Schon verstanden.«
Jane bewohnte im ersten Stock zwei Zimmer, Küche und Bad. Ich hatte sie schon oft besucht. Und auch große Gefahren in diesem Haus erlebt, da brauchte ich nur an den Angriff der Horror-Reiter vor einigen Monaten zu denken.
Wecken wollte ich sie nicht, nur einen Blick auf sie werfen. Ich wäre mir schon komisch vorgekommen, wenn ich Lady Sarah besucht hätte, ohne nach Jane zu schauen.
Die Horror-Oma wartete im kleinen Flur, als ich auf leisen Sohlen zur Zimmertür schlich. Jane hatte sie nicht abgeschlossen. Ich hörte sie atmen. Das Geräusch floß durch den offen Türspalt. Im ersten Augenblick war ich irritiert. Es mochte am Atem der Schlafenden liegen, der mir unnatürlich vorkam. Meine Hand lehnte schon an der Tür, da hörte ich Janes Stimme.
Sie sagte mehrere Worte. Allerdings so schnell und flüsternd hintereinander, daß ich keines davon verstehen konnte. Dennoch hatte das nichts mit einem normalen Schlaf zu tun.
»Hat sie was?« flüsterte Sarah hinter mir.
»Ich weiß es noch nicht.« Auf Zehenspitzen betrat ich das halbdunkle Zimmer.
Jane lag in ihrem Bett. Zum Glück auf dem Rücken, so daß ich ihr Gesicht sehen konnte. Es war nicht stockfinster im Raum, das Dämmerlicht lag zwischen den Wänden, und Janes Gesicht bildete einen hellen Fleck auf dem Kissen.
Ich kniete mich hin.
Ihr Atem ging schwer. Leichtes Röcheln drang über die Lippen. Sie hielt die Augen geschlossen, doch die Lider zuckten. Janes Schlaf war sehr unruhig. Auf ihrem Gesicht schimmerte Schweiß. Ein Traum mußte ihr schwer zu schaffen machen.
Dann bewegte sich ihr Mund.
Sofort stieg meine Spannung. Ich hatte sie vorhin sprechen hören und hoffte, daß es sich wiederholte.
»Gefahr…«
Es war nur ein Wort. Sie wiederholte es mehrmals hintereinander, so daß ich mich einfach nicht irren konnte.
Gefahr also!
Warum sprach sie das Wort im Schlaf aus? Was war es denn, das sie in ihrem Innern spürte? Tatsächlich eine Gefahr? Steckte sie auch darin? War jemand unterwegs, der ihr diesen Eindruck gab?
Mit den Fingerspitzen berührte ich ihr Gesicht. Es war warm und kühl zugleich. Der Schweiß hatte einen dünnen Film hinterlassen. Einige Haare klebten als Strähnen auf ihrem Kopf.
»Was ist los, Jane? Warum sprichst du von einer Gefahr? Was fühlst du?«
Ich bekam von ihr keine Antwort, dafür von einer anderen Person, die an der Tür stand. »Warum willst du sie denn aufwecken?«
Mit einer heftigen Armbewegung winkte ich ab. Sarah sollte sich jetzt nicht einmischen. Ich blickte kurz auf meine Handfläche, wo sich das Gesicht nicht zeigte. Das hatte sie also nicht meinen können. Es war durchaus möglich, daß Jane etwas von dieser Gefahr gemeint hatte. Noch immer verfügte sie tief in ihrem Innern über latente Hexenkräfte, der Rest einer schlimmen Zeit. Sie konnte sie bewußt nicht steuern oder nutzen. Sie waren da, und sie kehrten auch in gewissen Streßsituationen zurück, um ihr Botschaften zu übermitteln. Ich konnte mir dabei vorstellen, daß sie im Schlaf an einer derartigen Streßlage litt und sich durch das Reden nun freie Bahn verschaffen mußte.
Wecken wollte ich sie auch nicht unbedingt. Das hatte keinen Sinn, denn diese Eindrücke nahm sie entweder im Halb- oder Tiefschlaf wahr. Sie wollte reden und mir klarmachen, welche Eindrücke sie malträtierten.
»Hörst du mich, Jane?«
Die Detektivin murmelte etwas.
»Ich bin es, John!«
Die Augen zuckten, die Wimpern zitterten. Mein Name mußte bei ihr eine Assoziation ausgelöst haben. Ihre Arme bewegten sich, die Hände ebenfalls, sie streckten sich.
»Gefahr ist da… John…« Plötzlich schlug sie die Augen auf. Sie sah mich direkt an, aber ich wußte nicht, ob sie mich erkannte. Ich hielt ihre Hand und spürte sehr deutlich, wie die dünne Haut am Gelenk zitterte. Jane hatte zu kämpfen. Es gab da irgend etwas, mit dem sie nicht zurechtkam. Auch jetzt war sie noch nicht richtig wach. Wahrscheinlich wußte sie nicht, ob sie träumte oder das alles normal erlebte, was sie hier sah.
»Ich bin es, Jane…«
Die Detektivin nickte. Dann schluckte sie und wischte sich über die Augen. Auf ihren Lippen sah ich ein leichtes Lächeln. »Gott, ich habe etwas gespürt.«
»Du hast geträumt, Jane.«
»Ja und nein.« Sie bewegte die Schultern, als würde sie frieren. »Ich habe es gesehen. Es war hier…«
»Wo?«
»Im Raum, neben meinem Bett. Dort hat es sich aufgehalten und manifestiert.«
»Wer war es
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