0849 - Schattengesicht
Wesen nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
Auf einer dunklen Öllache rutschte es aus und fiel hin. Es rollte sich fast bis unter einen Wagen, denn dort hatte es eine entsprechende Deckung gefunden. Die Machete lag neben ihm, im Kopf knisterte es noch immer. Es war eine Botschaft, der Herr der Legenden hatte Kontakt mit ihm aufgenommen.
Allmählich ebbte dieses schreckliche Gefühl ab, und der Zwerg atmete wieder durch.
Dann hörte er in seinem Kopf die Stimme. Es war ein Flüstern, und es erreichte ihn über weite Entfernungen hinweg. »Er ist nicht in seiner Wohnung. Ich weiß es, denn ich bin ja bei ihm. Er ist woanders. Du mußt noch laufen.«
»Wohin?«
»Ich werde dich führen. In der Legende ist alles möglich, und ich bin der Herr der Legenden. Warte, bis sich das Tor wieder öffnet und der Weg für dich frei ist.«
»Was geschieht dann?«
»Ich werde dich zu ihm bringen.«
Nummer drei rappelte sich wieder hoch. Er hatte mit diesem Mann eine besondere Rechnung zu begleichen, denn er hatte nicht vergessen, wie sehr er von ihm gedemütigt worden war. Er war durch ihn gezwungen worden, seinen Herrn und Meister bloßzustellen, und er hatte sich bewähren wollen. Deshalb dieser Auftrag.
Er freute sich, das Knistern in seinem Kopf war verschwunden. Er würde es schaffen, diesen Mann zu finden.
Und dann?
Der Zwerg lachte, bevor er mit einer der scharfen Machetenseiten über seine Handfläche strich. Mit dieser Waffe konnte er Papier zerteilen, aber auch Körper.
Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er das summende Geräusch hörte, mit dem sich das große Garagentor öffnete. Jemand wollte hineinfahren. Zwei helle Scheinwerfer warf en ihre Bahnen in das Dunkel hinein.
Der Zwerg versteckte sich.
Erst als der Wagen hineingefahren war und er die Rücklichter sehen konnte, eilte er nach draußen.
Nur kurze Zeit blieb er mit beiden Beinen auf dem Boden. Plötzlich erwischte ihn die mächtige Kraft seines Herrn und Meisters. Er spürte, wie er angehoben wurde.
Wenig später war er eins mit der Dunkelheit der Nacht…
***
Lady Sarah konnte es nicht glauben. Fassungslos starrte sie auf das Gesicht in meiner Handfläche, die leicht zitterte. Sie sah den halb geöffneten Mund, aus dem Lachen geklungen war, und es hatte sich so verdammt siegessicher und auch widerlich angehört.
Ich schaute nicht hin, denn ich kannte es ja. Von mir aus sah ich nur das Profil der Hand und glaubte aber auch, den einen oder anderen Schatten darüber hinweghuschen zu sehen.
»Er ist es, John, nicht?«
Ich nickte.
»Ich sehe ein altes Gesicht. Ich sehe Runzeln, ich sehe auch Furchen, ich sehe…«
Wieder das Lachen.
Es unterbrach Lady Sarah, die ihre Arme angehoben hatte und beide Handflächen gegen ihre Wangen preßte. Sie konnte und wollte es noch immer nicht fassen, denn genau diesen Ausdruck entdeckte ich in ihren Augen, die so starr waren wie blanke Kugeln.
»Sprich ihn an!« flüsterte ich.
»Ja, aber… aber was soll ich sagen?«
»Frag ihn. Frag ihn, wer er ist.«
Sarah nickte. »Das mache ich. Wer bist du?«
Schweigen.
»Kannst du nur lachen oder auch reden?«
»Was willst du wissen, Frau?«
Wir hörten beide das Geflüster aus meiner Hand, und in mir wallte dabei etwas hoch, das ich nicht beschreiben konnte. Es ging einfach über meinen Horizont.
»Ich will wissen, wer du bist! Dein Name allein reicht mir nicht. Ich weiß, daß du Zacharias heißt.«
»Ja, du hast recht. Ich bin aber auch der Herr der Legenden, so zumindest hat man mich getauft. Ich bin aber tatsächlich eine Macht, eine geistige Macht. Und das ist etwas ganz Besonderes.«
Für Lady Sarah wurde es kompliziert. Sie kam nicht mehr mit und schaute mich an. In ihren Augen lag ein Schrei nach Hilfe. Ich aber nickte ihr nur zu, ein Zeichen, daß sie mit dem Fragen nicht aufhören sollte. Sie mußte ihre innere Hemmschwelle überwinden. »Ich verstehe es nicht. Ich bin wohl ein zu dummer Mensch, denke ich. Was ist eine geistige Macht? Und wie reagiert sie? Welche Kraft besitzt sie? Was ist ihr alles möglich oder gegeben?«
Die Antwort drang aus meiner Handfläche. »Jede starke geistige Macht kann sich manifestieren. Sie sucht sich dabei besondere Stellen aus. Das kann auf Spiegeln, Fenstern oder reflektierenden Flächen sein. Auch auf Händen, denn Hände sind die Spiegel der Seelen, sagt man. Sie sind es noch mehr als die Augen. Man braucht nur an die Handleser zu denken. Alles hat seine Ordnung. Nichts wird dem Zufall überlassen,
Weitere Kostenlose Bücher