085 - Flitterwochen mit dem Tod
Treppe.
Als eine der Bedienungen einen Blick auf den nackten Rücken der Vampirin warf, kreischte sie auf. Dieser laute Schrei verfolgte Sappho, die durch den dunklen Schloßpark flüchtete. Sie begann zu ahnen, daß sie sterben mußte, weil sie einen präparierten Untoten gebissen und dessen Blut getrunken hatte.
Einige Minuten, nachdem die fast nackte Rothaarige durch den Saal gelaufen war, gab Dr. Kern auf. Er wußte, daß nicht nur der Abend verdorben war, sondern sah sämtliche Folgen wie eine Lawine auf sich zukommen: Den Ruin des Geschäftes und diverse Klagen und Prozesse. Alles würde ins grelle Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, und seine Provisionen konnte er ohnehin vergessen. Er tat das, was er als einzig Vernünftiges noch tun konnte: Er schickte seine Sekretärin mit allen Angestellten der Feinkostfirma aus dem Saal und bedankte sich zerstreut. Kern wußte, daß alle froh waren, gehen zu können. Sie verschwanden schnell und lautlos. Nur der Discjockey arbeitete weiter und wechselte ununterbrochen Schallplatten und Bänder. Zorn und abgrundtiefe Resignation erfüllten Kern. Aber er konnte nichts ändern; jetzt nicht mehr.
Dorian Hunter hatte das Gefühl, aus einem wilden Traum in die Realität zurückzukehren. Er blinzelte und bewegte zögernd seine Glieder. Wo war er? Was war geschehen? Eine Reihe Fragen drängten sich in sein Bewußtsein. Die Antworten kamen nur zögernd; und je mehr er begriff, desto stärker wurde sein Schrecken.
„Coco", stieß er flüsternd hervor und riß die Augen auf.
Er befand sich in dem staubigen, von bernsteinfarbenem Licht mühsam erhellten Nebengebäude. Von rechts gab eine Stimme die Antwort. Auch diese Stimme erkannte Dorian wieder.
„Coco Zamis liegt in ihrem Hotelbett und schläft tief. Wenn sie aufwacht, wird sie sich nur zum Teil an diesen unvergeßlichen Abend erinnern."
Die Stimme klang spöttisch und selbstbewußt. Sie gehörte einem Mann, der mit sich und seinen Erfolgen zufrieden sein konnte.
Blinzelnd erkannte Dorian den Isländer.
„Wie kommen Sie hierher, Gunnarsson?" fragte er bestürzt.
„Ich war schon die ganze Zeit über hier. Ich kam früher als Sie und Coco."
Dorian schluckte und murmelte dann unschlüssig: „Ich kann mich erinnern. Untote - überall in der Stadt gesammelt, Untote - hier in diesem Gebäude. Und dann die Doppelgänger der menschlichen Gäste. Was hat das alles zu bedeuten?"
Er atmete tief ein und aus. Sein Bewußtsein schien sich zu klären.
Der rätselhafte Magnus Gunnarsson ging schweigend zur Tür, drückte sie auf und winkte Dorian.
Sie blieben nebeneinander in der frischen, warmen Nachtluft stehen.
„Ich sollte es Ihnen nicht sagen, aber Sie haben sich in eine Auseinandersetzung hineingewagt, für die Sie beide zu klein und unbedeutend sind. Es ist ein Kampf weitaus höherer Mächte, mein Lieber. Ich habe die menschlichen Teilnehmer schützen müssen. Sie kamen hierher und wurden durch untote Doppelgänger ersetzt - einschließlich meiner unwichtigen Person."
„Ich beginne zu begreifen", stöhnte Dorian und zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an.
„Dann hören Sie alles bis zum Ende an. Anschließend nehmen Sie Ihren Leihwagen, fahren zurück und vergessen am besten die Geschichte. Ich muß Sie warnen - Sie und Coco. Seien Sie um Himmels willen nicht so vermessen, zu glauben, in diesem Kampf mitkämpfen und womöglich siegen zu können!"
Magnus ging langsam und entspannt auf das Schlößchen zu. Die meisten Fackeln waren heruntergebrannt und ausgegangen. Nur die Musik spielte noch unentwegt.
Kreischen, Lachen und Kichern drang durch die offenen Fenster zu ihnen heraus. Hin und wieder huschte eine Fledermaus vorbei. Es war kurz nach Mitternacht.
Dorian schloß sich nach kurzem Zögern dem Isländer an.
„Sie haben die menschlichen Partner durch präparierte Untote ersetzt?" fragte Dorian und schüttelte sich.
Die Macht Gunnarssons war offensichtlich groß. Magnus hatte mindestens zwanzig Menschen nicht nur vor einem schauerlichen Schicksal bewahrt, sondern ihnen vermutlich das Leben gerettet. „Olivaro versuchte, Coco in seine Macht zu bekommen. Und Sie sollten endlich verschwinden", gab Magnus zur Antwort.
„Einen Moment!" sagte Dorian. „Ich bin sicher, daß ich den Schluß miterleben möchte."
Ruhig erklärte Gunnarsson: „Meinetwegen, Sie dürfen sich das Chaos im Saal gern ansehen. Zehn Minuten lang."
„Wer sind Sie eigentlich, Magnus?"
Der Dämonenkiller
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