0850 - Rache aus der Totenkammer
haben.«
»Was meinen Sie mit damals?«
»Nicht zur Zeit der DDR. Später, als Ost und West zusammenkamen. Sie waren nicht bei der Stasi, und man hat Sie sogar mit besonderen Aufgaben betraut.«
Harry grinste schief. »Mit welchen denn?«
»Das weiß ich auch nicht. Darüber gibt es nur Gerüchte. Man sagte jedenfalls, daß Sie… nun ja, daß Sie einer besonderen Arbeit nachgegangen sind und nicht nur Verbrecher gejagt haben.«
»Was dann?«
»Nun ja, andere.«
Stahl hob die Schultern.
Der Wirt sprach noch leiser. »Geister oder so…«
Jetzt war es heraus. »Geister?« murmelte der ehemalige Kommissar, »kann man die denn überhaupt jagen?«
»Das habe ich Sie gefragt.«
Harry winkte ab. »Gerüchte, Erich, das sind alles nur Gerüchte. Die Wirklichkeit sah anders aus.«
Die drei anderen Gäste wollten zahlen und riefen es quer durch die Kneipe. Erich ging zu ihnen. Harry blieb zurück. Er mochte es nicht, wenn die Sprache auf dieses Thema kam. Das waren Dinge, die rational nicht erklärt werden konnten.
Um sie zu akzeptieren oder zu begreifen, mußte man schon ein großes Herz haben. Der Verstand konnte da ruhig ausgeschaltet werden. Harry Stahl sprach nicht gern über diese Fälle, und er würde auch Erich nichts sagen.
Ein kalter Lufthauch lenkte ihn ab. Er strich über Harrys Gesicht und zwang ihn, den Kopf zu drehen.
Stahl blickte zur Tür.
Genau in diesem Moment wußte er, daß sich einiges für ihn ändern würde…
***
Vor der Tür stand ein Mann. Ein Gast? Nein, das war kein Gast.
Man sah es einem Menschen an, ob er als Gast in eine Kneipe kam oder in einer offiziellen Mission. Dieser hier sah nicht aus wie ein normaler Gast, der wirkte verdammt offiziell, und er traf auch keinerlei Anstalten, dies zu verbergen.
Er sah aus wie ein Beamter der besonderen Art. Er trug einen langen Mantel aus Wildleder, den er korrekt zugeknöpft hatte. Auf seinem Kopf saß ein Hut, den er jetzt – nach dem Eintritt – mit einer etwas erhaben wirkenden Geste abnahm, ihn aber in der rechten Hand behielt und sich im Lokal umschaute.
Viel gab es für ihn nicht zu sehen. Er streifte die drei Männer und den Wirt nur mit einem flüchtigen Blick, um sich dann auf den ehemaligen Kommissar zu konzentrieren.
Harry sagte nichts.
Er hatte sich etwas gedreht, um die Tür besser sehen zu können und natürlich den Mann. Langsam kam er näher, so daß Harry Muße genug hatte, ihn zu betrachten. Unter dem Mantel trug er eine Kombination. Helle Jacke, dunkle Hose, ein Streifenhemd, eine Krawatte. Sein Gesicht war ebenso glatt wie die braunen Haare, die er gescheitelt hatte. Sie lagen dicht über seinen großen Ohren auf, und in seinem ovalen Gesicht zeigte sich das schmale Lächeln erst dann, als er dicht vor dem Detektiv stehenblieb.
»Harry Stahl?«
»Ja.«
»Mein Name ist Schmidt.«
»Wie nett.«
Eine Falte erschien auf der Stirn des Ankömmlings. Ob es wegen der Antwort geschah oder nur deswegen, weil Harry einen Schluck getrunken hatte, konnte er nicht sagen, aber dieser Schmidt schaute sich um, als würde es ihm an der Theke nicht gefallen, und Harry dachte nicht daran, ihm den kleinen Finger zu reichen. Er wartete so lange ab, bis dieser Schmidt, dessen Name sicherlich falsch war, mit der Sprache herausrückte.
Das geschah sehr bald. »Könnten wir uns unterhalten?«
»Wenn Sie wollen.« Harry deutete auf einen Hocker, aber der neue Gast schüttelte den Kopf.
»Wie wäre es, wenn wir uns an einen der leeren Tische setzen?«
»Warum?«
»Dort haben wir mehr Ruhe.«
»Es geht also um einen Auftrag, nehme ich an.« Schmidt gab die Antwort zögernd. »Wenn Sie es so wollen, Herr Stahl, haben Sie recht.«
»Anhören kostet ja nichts.« Harry rutschte vom Hocker und nahm sein Glas mit. Erich beobachtete die beiden Männer, wie sie quer durch den Raum gingen und an einem Tisch in der Ecke Platz nahmen. Schmidt bestellte Kaffee, Harry ebenfalls. Der neue Gast zog den Mantel nicht aus, legte nur seinen dunklen Hut auf einen freien Stuhl und schaute Harry an.
»Ist was?«
»Sie sehen nicht eben fröhlich aus, Kommissar.«
Stahl stutzte. »Was haben Sie da gesagt? Kommissar? Das war ich mal, das bin ich nicht mehr.«
»Ist mir bekannt.«
»Sie kennen wohl noch mehr, nehme ich an.«
»Das will ich nicht leugnen.«
»Und wer sind Sie?«
»Einfach Schmidt. Gregor Schmidt.«
Harry schob sein Glas zur Seite. Er mußte jetzt genau achtgeben und konnte es sich nicht leisten, auch nur leicht angetrunken zu
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