0850 - Rache aus der Totenkammer
Umgekehrt wäre es ebenso gewesen.
Der Kaffee war ziemlich kalt geworden. Er schmeckte nicht mehr.
Harry kippte ihn weg. Er wollte die Tasse in die kleine Spülmaschine stellen, als es klingelte.
Stahl zuckte zusammen. Sein Mund aber lächelte, und die Augen bekamen einen bestimmten Glanz. Außer Gregor Schmidt erwartete er um diese Zeit keinen Besuch. Harry streifte sogar ein Jackett über, als er auf die Tür zuging.
Er wußte genau, daß die nächste Stunde über sein weiteres berufliches Schicksal entscheiden würde.
In diesem Bewußtsein öffnete er auch die Tür…
***
Die beiden Männer hockten im Wohnraum zusammen. Schmidt trug noch immer dieselbe Kleidung wie am Mittag, aber diesmal hatte er den Mantel ausgezogen und ihn zusammen mit dem Hut an die Garderobe gehängt. Etwas Alkoholisches hatte er nicht trinken wollen und sich wieder für Kaffee entschieden. Auch Harry war dabei geblieben.
Der ehemalige Kommissar hatte nicht viel gesagt und seinem Besucher zunächst einmal zugehört. Schmidt war umgänglicher gewesen als beim ersten Besuch, und er hatte ein Thema angeschnitten, über das in alten Zeiten nicht einmal geflüstert worden war.
Gefängnisse und Zuchthäuser in der ehemaligen DDR. Das war immer ein heißes Eisen gewesen, und auch Harry Stahl wußte das.
Er hatte sich nie damit beschäftigen müssen, nun aber wurde er damit konfrontiert und ausgerechnet noch mit den schlimmsten Bau, den das damalige System zu bieten hatte.
Es ging um das Haus X.
Zwar stammte dieser Gregor Schmidt aus dem Westen, doch seine Kenntnisse über gewisse Verhältnisse waren enorm. Er und seine Kollegen hatten da gute Arbeit geleistet, auch was dieses Haus X anging. Da nahm er kein Blatt vor den Mund und wollte schließlich wissen, was Harry Stahl über dieses Gefängnis wußte.
»Nichts, Herr Schmidt.«
»Hören Sie auf. Das können Sie mir nicht erzählen.«
»In der Tat habe ich nichts darüber gewußt. Das heißt, es gab Gerüchte.«
»Aha.«
»Nichts aha. Niemand wußte etwas Genaues. Keiner hätte mir etwas über den Bau sagen können, den es offiziell nicht gab. Jeder hätte überhaupt abgestritten, daß ein derartiges Lager oder Zuchthaus existierte. Denken Sie nur an die deutsche Vergangenheit. Aber das Haus war eine Tatsache, muß ich jetzt annehmen.«
Schmidt nickte. »Sie haben recht. Es war eine Tatsache.«
»Und weiter?«
»Nichts«, sagte der Mann, bevor er lächelte. »Dieses Gefängnis existiert nicht mehr.«
»Kann ich mir denken. Wenn ich allerdings den Faden weiterspinne, haben Sie trotzdem Probleme mit diesem alten Bau, sonst wären Sie nicht zu mir gekommen.«
»Das stimmt allerdings.«
»Wo soll ich einspringen?«
Gregor Schmidt hob die Augenbrauen und schaute auf den Tisch.
Er überlegte. Was er sagen mußte, gefiel ihm offensichtlich nicht, sonst hätte er nicht so ein Gesicht gezogen, als wäre er dabei, Zitronensaft pur zu trinken. »Das Problem ist etwas… ähm … wie soll ich sagen? Diffizil.«
»Und?«
»Nun ja, wir wissen ja, Herr Stahl, welche Erfahrungen Sie zu Ihrer Zeit gesammelt haben. Sie waren so etwas wie ein Experte für ungewöhnliche Fälle.«
»So kann man es auch sagen.«
»Und dieser Fall ist ungewöhnlich.«
»Hängt er unmittelbar mit dem Haus X zusammen?«
»Ja.«
»Ich müßte, wenn ich einsteige, also dort recherchieren, weil in diesem Haus etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Kann man das so sagen?«
»Es ist zumindest nicht falsch.«
»Schön.« Stahl nickte und lehnte sich zurück. Die Sache lief gut für ihn. Eine große Sicherheit hatte ihn überkommen. »Da müßten Sie mir schon Einzelheiten nennen.«
»Deshalb bin ich eigentlich hier.«
Harry hatte den Zwischenton sehr wohl verstanden. »Warum sagen Sie eigentlich?«
»Ganz einfach. Es gibt da Probleme. Wir wissen noch nicht, ob wir Ihnen trauen können.«
»Dann wären Sie nicht zu mir gekommen. Ich bin doch Ihre letzte Chance, geben Sie es zu.«
»Nein, daß sind Sie nicht. Sie könnten uns allerdings dabei helfen, einige Ungereimtheiten aufzuklären, die mit dem Haus X in Verbindung stehen.«
Harry nickte. »Gesetzt den Fall, ich spiele mit. Was würde dabei für mich herausspringen?«
»Darüber sollten wir jetzt nicht sprechen.«
»Das möchte ich aber.«
»Es wird Ihnen schon nicht schaden.«
»Rehabilitierung!«
Gregor Schmidt dachte nach, bevor er etwas sagte. »Das ist ein sehr großer Begriff. Sie wissen, daß dies nicht so einfach ist.«
»Klar, das
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