0851 - Wir jagten das bleiche Gesicht
benutzt.
Ich schaute mir den Riegel an. Er sah nicht verrostet aus und würde sich bewegen lassen.
Das Kreuz hängte ich vor meine Brust. Ich umfaßte den Riegel mit beiden Händen, zerrte ihn zur Seite und hörte auch Sukos warnende Worte. »Gib acht, John.«
»Alles okay.«
Bis jetzt war es okay, denn noch war die Tür geschlossen. Ich mußte an einem Griff anfassen, der eine dünne Rostschicht aufwies.
Es schwappte, als ich die Tür aufzog, und ich merkte schon bald, welch ein schrecklicher Geruch mir durch den Spalt entgegenströmte.
Kann der Tod riechen?
Diese Frage stellte sich mir automatisch, als ich den Gestank wahrnahm. Ich wußte nicht, wer oder was ihn ausströmte, denn der erste Blick in die Zelle oder Waschküche zeigte mir auch dessen Leere, das heißt ich hatte sie noch nicht voll ausgeleuchtet. Dafür stemmte ich die Tür soweit wie möglich auf und hörte hinter mir meinen Freund. Suko wollte ebenfalls sehen, ob dieser Raum tatsächlich leer war, und er blieb neben mir stehen.
Zwei helle Strahlen bewegten sich über die angeschmutzten Kacheln hinweg, die einmal wohl blaugrau gewesen waren. Im Lauf der Zeit hatte sich eine wie Fett anmutende Schicht darauf gelegt; Wahrscheinlich war es dieser Überzug, der den Gestank abgab.
Wo lauerte die Fratze?
Der Beschreibung nach war sie in der der Tür gegenüberliegenden Wand erschienen.
Suko dachte das gleiche wie ich, denn er zielte ebenfalls auf diese Stelle.
War sie da?
Nein! Oder doch?
Suko flüsterte mir zu. »John, da ist was. Ich… ich sehe und spüre es irgendwie.«
Er ging zuerst in diese Todeskammer. Ich folgte ihm. Ein Blick nach rechts zeigte mir die Rinne. Ich bekam eine Gänsehaut, als ich daran dachte, was dort hindurchgelaufen war.
Suko hatte recht gehabt.
Es gab dort in der Wand eine Veränderung. Eine relativ große schwarze Stelle, als hätte jemand mit einem Gebläse Ruß dagegen gepustet. Diese Stelle war zumindest ungewöhnlich. Uns fiel beiden keine Erklärung dafür ein.
Wir schritten sehr langsam näher. Beide sahen wir auch, daß sich der schwarze Fleck bewegte. Er zog sich zusammen, als wollte er sich in der Mitte zu eine Spirale formieren. Ich griff in die Tasche und holte ein billiges Feuerzeug hervor. Das schleuderte ich gegen den schwarzen Fleck und wartete darauf, daß es abprallte. Den Gefallen tat es mir nicht.
Das Feuerzeug wurde von der Wand verschluckt. Bevor wir noch etwas anderes unternehmen konnten, hörten wir eine Stimme, die aus der Wand klang, sich aber gleichzeitig so anhörte, als wäre sie in der tiefsten Hölle geboren, denn sie hatte einen Klang, der uns einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte.
»Meine Zeit ist noch nicht gekommen, Ich habe es versucht. Es hätte fast geklappt. Aber ich kehre zurück. Ich will wieder auf Erden sein, versteht ihr?«
»Wer bist du?«
»Merkt euch meinen Namen.« Für einen Moment schimmerte innerhalb der Schwärze ein furchtbares Gesicht, das allerdings sehr schnell verschwand und ich keine Beschreibung behalten konnte.
Nur der Name wurde uns noch mit dumpf-drohender Stimme entgegengeschleudert.
»Belial…«
Vorbei – aus.
Kein schwarzer Fleck mehr. Eine normale Wand, bei der die Kacheln zu den anderen paßten.
Wir klopften dagegen. Nichts hatte sich gelöst. Die Wand war da, und sie würde halten.
»Belial«, murmelte Suko. »Ich meine, ich könnte etwas damit anfangen. Du auch?«
»Er ist ein Dämon.«
»Mehr nicht?«
»Ich werde mich irgendwann schlau machen müssen. Es kann sein, daß wir es bei ihm mit den gestürzten Engeln zu tun bekommen, aber das weiß ich nicht so genau.«
»Gut, vergessen wir ihn vorerst.«
Auch mein Kreuz hatte keine Reaktion gezeigt, als ich die Stelle damit berührt hatte. Uns blieb nur noch die Gelegenheit, die ungastliche Stätte zu verlassen.
Wir nahmen Harry Stahl mit. Er hing zwischen uns, erschöpft, und er sagte mit leiser Stimme: »Wißt ihr was? Ich habe den Eindruck, leichter geworden zu sein.«
»Du hast abgenommen?«
»Ja, die Klamotten sitzen nicht mehr so wie vorhin. Aber ich bin nicht kleiner geworden, zum Glück. Und das verdanke ich euch, Freunde.«
Wir winkten nur ab…
***
Es blieb noch einiges zu tun, und Harry Stahl war wieder in seinem Element. Er setzte sich mit Gregor Schmidt in Verbindung, dem er alles erklärte.
Schmidt wiederum erklärte sich bereit, die Menschen abzuholen.
Sie sollten in psychiatrische Klinken überwiesen werden, und vor allen Dingen sollte
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